
Um nachhaltiger zu wirtschaften, sollen nachwachsende anstatt fossile Rohstoffe genutzt werden. Der Ansatz der Bundesregierung ist in der "Nationalen Bioökonomiestrategie" festgehalten: Bioökonomie steht demnach für "die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen".
Die Befürworter*innen der Bioökonomie versprechen viel: der Schutz von Klima, Natur und Ressourcen, Ernährungssicherheit, neues Wirtschaftswachstum und mehr Wettbewerbsfähigkeit durch bioökonomische Innovation. Die Bioökonomie soll so ein entscheidender Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung sein.
Leere Versprechen
Mit der bisherigen Ausrichtung der Bioökonomie können diese Versprechungen jedoch nicht eingehalten werden. Vielmehr würde sie bereits bestehende Probleme vielfach verschärfen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe:
Fossile Rohstoffe einfach durch nachwachsende zu ersetzen, ist quantitativ gar nicht möglich: Die Bundesregierung hält es etwa für möglich, Autoreifen anstatt aus Öl und Erdgas (oder aus Naturkautschuk aus Asien oder Südamerika) ausschließlich mit Kautschuk aus in Deutschland angebautem Russischen Löwenzahn herzustellen. Allein dafür würden jedoch 14 Prozent der nutzbaren Agrarfläche in Deutschland verbraucht!
Das Beispiel zeigt: Durch bioökonomische "Lösungen" droht eine weitere Verschärfung der Flächenkonkurrenz.
Weltweite Krisen werden verschärft

Die Rohstoffe für die Bioökonomie, also die Biomasse, einfach aus anderen Ländern zu importieren, stellt ebenfalls keine Lösung für dieses Problem dar. Solche Importe führen bereits jetzt zur Abholzung und Übernutzung von Wäldern weltweit, zu höheren Lebensmittelpreisen – und damit zu Hunger – sowie zur Zerstörung von kleinbäuerlicher Landwirtschaft im globalen Süden.
Um mehr nachwachsende Rohstoffe bereitstellen zu können, soll zudem im Namen der Bioökonomie die Intensivierung der Landwirtschaft weiter vorangetrieben werden. Dies führt dazu, dass Böden auslaugen und der Wasserhaushalt geschädigt wird. Das naturferne, intensive landwirtschaftliche Modell trägt außerdem zur Freisetzung von Treibhausgasen bei und ist der Haupttreiber des massiven Verlusts biologischer Vielfalt.
Eine entscheidende Rolle bei der Bioökonomie wird auch der Agro-Gentechnik zugesprochen, die zu landwirtschaftlichen Ertragssteigerungen führen soll. Bedenken über deren potentiellen Gefahren werden in der Diskussion um die Bioökonomie dabei weitestgehend ausgeblendet.
"Grünes Wachstum" durch Bioökonomie?

Mit dem Verweis auf mehr wirtschaftliches Wachstum und mehr Wettbewerbsfähigkeit durch bioökonomische Innovationen soll die Bioökonomie das neue Aushängeschild für "grünes Wachstum" werden.
"Grünes Wachstum", also Wirtschaftswachstum ohne Umweltzerstörung, hat es bislang jedoch niemals gegeben. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist es deshalb vielmehr notwendig, Wachstum als primäres wirtschaftspolitisches Ziel an sich zu hinterfragen. Sonst droht das weitere Überschreiten der planetaren Grenzen – auch aufgrund der Bioökonomie.
Fazit:

Mit der aktuellen Ausrichtung sind die Versprechungen der Bioökonomie nicht einhaltbar. Im Gegenteil: Durch sie drohen sich die ökologischen und sozialen Krisen weiter zu verschärfen. Vor allem der übersteigerte Ressourcenverbrauch ist das Problem. Nur eingebettet in eine Wirtschaftsform, die dazu beiträgt, dass insgesamt weniger verbraucht wird, kann die Bioökonomie zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.
Außerdem braucht sie ökologische Anbauformen – denn mit dem Einsatz von Gentechnik, Pestiziden und Kunstdünger wird der Raubbau an der Natur nur weiter fortgesetzt.
Die Politik muss klare Vorgaben entwickeln, mit denen Klima-, Natur- und Ressourcenschutz sowie globale Ernährungssicherheit im Rahmen der Bioökonomie erreicht werden können. Nur dann kann die Bioökonomie zu einem "Guten Leben für alle" innerhalb der planetaren Grenzen beitragen.
BUND-Forderungen:
- Die Bioökoomie darf nicht zum weiteren Überschreiten der planetaren Grenzen beitragen.
- Ernährungssicherheit, Natur- und Arten- sowie Klimaschutz müssen Vorrang vor der Verwendung von Biomasse für bioökonomische Produkte haben. Dieser Vorrang muss durch eine entsprechende Gesetzgebung sichergestellt werden.
- Die Bioökonomie darf nicht zum Einfallstor für Gentechnik werden.
- Bioökonomie darf nicht zu mehr Biomasseimporten mit entsprechenden negativen Folgen für die weltweite Biodiversität führen.
- Wirtschaftswachstum darf nicht länger wirtschaftspolitisches Ziel für die Bioökonomie sein.
- Die Bioökonomie-Forschungsförderung muss mehr Gelder für ganzheitliche Lösungen wie den Ökolandbau bereitstellen.
- Die Bundesregierung muss sich ein ambitioniertes und verbindliches absolutes Reduktionsziel im Ressourcenverbrauch setzen und daran muss auch die Bioökonomie gemessen werden.
BUND-Projekte zur Bioökonomie
Der BUND arbeitet in zwei Projekten zur Bioökonomie. Dabei soll die bioökonomische Debatte einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Gemeinsam wollen wir diskutieren, inwieweit biobasiertes Wirtschaften Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden kann.
Das Projekt "Perspektivwechsel Bioökonomie" wird im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020/21 zum Thema Bioökonomie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und dem Denkhaus Bremen.
Das Projekt "Bioökonomie im Lichte der Nachhaltigkeit", gefördert vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), wird in Zusammenarbeit mit dem Denkhaus Bremen umgesetzt.
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