Meeresschutzgebiete – Erholung für die Vielfalt

Ein Netz aus Schutzgebieten zu flechten, ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen für den Naturschutz in den europäischen Meeren. Denn ohne sichere Rückzugsorte können sich bedrohte Arten und ihre Lebensräume nicht erholen und gehen für immer verloren.

Der BUND fordert:

  • Meeresschutzgebiete als Ruhe- und Rückzugsräume sichern
  • Zerstörerische grundberührende Fischerei abschaffen – zuerst in Schutzgebieten und langfristig überall
  • Mindestens 50 Prozent aller Meeresschutzgebiete für jegliche wirtschaftlichen Nutzungen sperren („Nullnutzungszone“)
  • Keine Windparks, Kabeltrassen und Pipelines in Meeresschutzgebieten
  • Die zukünftige Meeresstrategie der Bundesregierung muss verbindliche, sektorenübergreifende und kohärente Maßnahmen für einen effektiven Schutz der Meere liefern
     

Meeresschutzgebiete – die Schatzkisten der Meere

Kegelrobbe auf Helgoland Eine Kegelrobbe auf Helgoland  (Stefan Menzel)

Nicht nur vor Australien, um Galapagos oder in der Karibik lassen sich die Schätze der Natur bestaunen. Auch direkt vor unseren Küsten liegen lebendige, bunte und bedrohte Ökosysteme unter der Wasseroberfläche. Verwunschene Riffe aus großen und kleinen Steinen besiedelt von großen Algen in der Ostsee. Oder eine gigantische Sandbank, versteckt in Mitten der Nordsee. Und Europas kleinster und Deutschlands einziger Wal, der Schweinswal, wandert durch die verschiedenen Schutzgebiete und pflanzt sich dort fort. 

Die europäische Biodiversitätsstrategie fordert, dass 30 Prozent der Meere bis 2030 unter Schutz stehen. 10 Prozent sollen bis dahin sogar unter strengem Schutz stehen, umgesetzt bedeutet das: 10 Prozent nutzungsfreie Flächen (Nullnutzungszone). In Deutschland stehen unter dem Natura 2000-Netzwerk etwa 45 Prozent der deutschen Meere und Küstengewässer offiziell unter Schutz. Doch was bedeutet dieser Schutzstatus überhaupt?

Werden die Schutzgebiete wirklich geschützt?

Die EU-Richtlinien zum Vogelschutz und Schutz von Fauna, Flora und Habitaten (FFH) führen auf, welche Lebensräume und Arten besonders gefährdet sind und für deren Schutz entsprechende Gebiete ausgewiesen werden sollen. Für die deutschen Meeresgewässer in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – also weit draußen hinter der Küste – sind das Lebensräume wie Riffe und Sandbänke, die Heimat für z.B. Schweinswal, Kegelrobbe, Seehund und viele Seevögel sind.

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Lebensraum Riff

Riffe sind in der Nord- und Ostsee meist Hartsubstrate, die sich vom Meeresboden erheben. Auf den Felsen und Gesteinsblöcken siedeln sich zum Beispiel Miesmuscheln, die Seeanemonen „Seenelke“ oder in der Nordsee sogar Weichkorallen wie die „Tote Meerhand“ an. In flacherem Wasser findet man auch Bewuchs von Großalgen. Damit bieten Riffe einen Lebensraum für eine Vielfalt an Lebewesen wie Muscheln, Krebse, Seeigel und Seesterne. Oft sind Riffe wie Kinderstuben für Fische und dadurch auch ein wichtiges Jagdgebiet für große Raubfische und Meeressäuger. Auch Seevögel werden hier satt.

In der deutschen AWZ der Nordsee liegen wichtige geschützte Riffe vor der Küste von Sylt im „Sylter Außenriff“ zusammen mit dem Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“. Auch vor Borkum liegt der geschützte „Borkum Riffgrund“. In der Ostsee sind schützenswerte Riffe von den Küstengewässern der Kieler Bucht bis zur Pommerschen Bucht anzutreffen. Das größte zusammenhängende Riffgebiet in der AWZ stellt die Rönnebank zusammen mit dem Adlergrund dar. Sie liegen beide im Schutzgebiet „Pommersche Bucht - Rönnebank“.
 

Lebensraum Sandbank

„Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser“ sind Erhebungen des Meeresgrundes, die bis dicht unter die Meeresoberfläche reichen können, aber bei Niedrigwasser nicht frei fallen. Das sandige Sedimenten besteht aus gröberen, bis hin zu Steinblöcken, und feineren Korngrößen wie Schlick.  Dieser Lebensraum kommt europaweit in allen flachen Meeresgebieten nah an der Küste aber auch weit bis in die offene See vor. Mitten in der Nordsee erstreckst sich zum Beispiel die „Doggerbank“, eine Sandbank die 350 km lang und 120 Kilometer breit ist. Nur ein Teil davon liegt in der deutschen AWZ. In der Ostsee sind großflächige Sandbänke wie die Oderbank und Teile des Adlergrundes im Naturschutzgebiet „Pommersche Bucht – Rönnebank“ zu finden. Im Naturschutzgebiet „Fehmarnbelt“ gibt es außerdem eine Sandbank mit einem Megarippel. Die welligen Sandrippel, wie man sie auch vom Sand am Strand kennt, stehen hier zum Teil bis zu 3 Meter hoch. 

Sandbänke sind oft frei von Vegetation oder nur spärlich von größeren Pflanzen, wie Algen und Seegräsern, bewachsen. Doch hier sammeln sich große Mengen von Kleinstlebewesen wie Zooplankton, die die Grundlage der Nahrungskette im Meer bilden. Fische und andere Meerestiere kommen in diese Lebensräume, um sich satt und groß zu fressen.
 

Schweinswal

Schweinswale (Phocoena phocoena) sind die einzigen Wale, die in Nord- und Ostsee regelmäßig vorkommen. Sie jagen ihre Beute mithilfe von Ultraschall-Klickfolgen, die auch zur Orientierung und Kommunikation dienen. Das Vorkommen von Schweinswalen ist stark abhängig von dem Vorkommen ausreichender, insbesondere fettreicher Nahrungsfische, so dass sie sich vermehrt an Frontensystemen oder nährstoffreichen Auftriebszonen aufhalten.
 

Kegelrobbe

Kegelrobben (Halichoerus grypus) sind das größte Raubtier Deutschlands. Sie sind hervorragende Taucher und können bis zu 300m tief tauchen. Das breite Beutespektrum ist dominiert von Heringen und Sprotten. Die Paarung kann im Wasser, bei Liegeplätzen oder in größerer Entfernung von der Küste stattfinden. Im Gegensatz zu Seehunden kann eine Paarung aber auch an Land erfolgen. Die Jungen der Kegelrobbe unterscheiden sich mit ihrem weißen Embryonalfell in den ersten Wochen von dem Nachwuchs der Seehunde. Nachdem die Kegelrobbe in der Ostsee fast ausgerottet wurde, erholt sich der Bestand wieder und kehrt auch wieder an die deutsche Küste zurück.
 

Seehund

Seehunde (Phoca vitulina) sind die zweite Art Robben, die an den deutschen Küsten und in den Meeresschutzgebieten zu finden sind. Sie halten sich vor allem in der Fortpflanzungs- und Haarwechselperiode (Juni bis September) längere Zeit auf Sandbänken, Stränden oder Inseln auf. Sie können sowohl im Wasser als auch an Land gut sehen. Ihre Beute nehmen sie aber vor allem mithilfe ihrer Vibrissen, also Barthaaren, wahr. Seehunde werden im Alter von drei bis fünf Jahren geschlechtsreif.
 

Basstölpel

Basstölpel brüten auf Felseninseln und haben damit ihren einzigen Brutplatz in Deutschland auf Helgoland. Sie fressen fast ausschließlich Fisch, zumeist Makrelen, Sandaale, Heringe und Sprotten. Basstölpel jagen ausschließlich bei Tageslicht. In den Morgenstunden stürzen sich dann die eleganten Gleitflieger mit bis zu 100 km/h in die Wassermassen und tauchen bis in 22 m Tiefe. Lediglich zum Start müssen die Vögel etwas unbedarft Anlauf nehmen um in die Luft zu kommen.
 

Was ist das Ziel von Natura 2000?

Schutzgebiete in der Nordsee Unsere Meere sind vielfältiger Belastung ausgesetzt.  (BUND)

Ein weitreichendes Netz, das Schutz für diese wildlebenden Arten und deren natürliche Lebensräume bietet: Dies war und ist das Ziel des Natura 2000 Schutzgebiet-Netzwerkes. Wichtige europäische Regelwerke, wie die Vogelschutzrichtlinie von 1979 und die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) von 1992 ebneten den Weg zur Ausweisung von Schutzgebieten in ganz Europa. Für Deutschland gestaltet sich dieser Weg allerdings noch steinig und lang: 2004 nominierte Deutschland seine schützenswerte Gebiete in seinen Meeren. Nachdem die EU diese Gebiete 2008 bestätigte, dauerte es noch über ein Jahrzehnt bis die Gebiete 2017 dann offiziell von Deutschland als Schutzgebiete ausgezeichnet wurden.

Doch der Name „Naturschutzgebiet“ allein schützt nicht. Sobald Gebiete offiziell als Natura 2000-Gebiete nominiert werden, ist das Land rechtlich zu ihrem Schutz verpflichtet. Es muss eine Verschlechterung verhindern, einen guten Schutzstatus erhalten oder eben Maßnahmen umgesetzt werden, damit ein guter Zustand erreicht wird. Dafür müssen alle Faktoren unter die Lupe genommen werden, die auf Schutzgebiete und ihre wertvollen Schätze einwirken. Denn zu viele möchten an den versteckten Schätzen teilhaben: 

Wer raubt aus unseren Schatzkisten?

Noch immer ist in den Schutzgebieten, den wertvollsten Ökosystemen vor unseren Küsten, fast alles erlaubt: Flächendeckende Fischerei, die mit ihrem Fischereigerät den Boden komplett umgräbt oder mit Stellnetzen den Seevögeln und Meeressäugern zum Verhängnis wird. Teilweise wird noch Sand und Kies abgebaut, während gleichzeitig auch Rohre und Kabel  durch oder auf den Boden gelegt werden. Laute Schiffe fahren durch die Schutzgebiete, militärische Manöver dürfen auf und unter Wasser durchgeführt werden. Auch die Wartung und der Ausbau von Offshore-Windparks sorgen für zusätzlichen Unterwasserlärm und Druck auf die Lebensräume. Die aktuelle Marine Raumordnung und Pläne zur Flächenentwicklung auf See der Bundesregierung prüfen sogar den Bau von neuen Offshore-Windanlagen in den Schutzgebieten selbst. Im Namen des Klimaschutzes sollen wichtige Gebiete im Meer, der größten Kohlenstoffsenke  der Welt, weiter geschwächt und zerstört werden.

Dabei steht es schon schlecht um die Lebensgemeinschaften in Nord- und Ostsee. Das Ziel der EU Meeresstrategie Rahmenrichtlinie einen guten ökologischen Umweltzustand der Meere bis 2020 zu erreichen, wurde weit verfehlt. Laut nationaler Roter Liste sind fast ein Drittel der marinen Arten gefährdet. Grund dafür sind nach Aussage der Bundesregierung die Fischerei, der Kies- und Sandabbau und der Eintrag von Nähr- und Schadstoffen. Dabei könnte ein effektiver Schutz in Schutzgebieten zur Erholung von Fischbeständen führen und selbst den Fischer*innen wieder rosigere Zeiten bescheren.

Der Schatz braucht Schutz! 

2020 und 2022 beschließt die Bundesregierung endlich Pläne mit Maßnahmen, die den Schutz in die Schutzgebiete bringen sollten. Doch es fehlt die Umsetzung dieser Maßnahmen. Besonders die Fischerei wird mit diesen Maßnahmenplänen nicht eingeschränkt, denn die europäische Fischereipolitik  setzt dafür eine Einigung und Empfehlung aller betroffenen Mitgliedstaaten mit Fischereiinteressen voraus. 

Dabei sind die Handlungsalternativen eindeutig: Die zerstörerischen Nutzungen müssen in den Schutzgebieten verboten oder zumindest räumlich und zeitlich eingeschränkt werden. Innerhalb des Natura-2000-Netzwerkes braucht es 50 Prozent der Meeresschutzgebiete unter noch strengerem Schutz: Hier sollten keinerlei menschliche Nutzung und direkte Beeinträchtigungen vorkommen. Diese sogenannten "Nullnutzungszonen" können, wenn sie in geeigneten Bereichen ausgewiesen werden,

  • als Ruhe- und Rückzugsgebiete für bedrohte Arten dienen,
  • bedrohte und seltene Lebensräume erhalten und
  • natürliche Erholungs- und Entwicklungsprozesse zulassen. 

Diese einfache und schnell umsetzbare Art der Renaturierung kann die Meeresumwelt wiederbeleben und ein Reaktor der Artenvielfalt sein. Die Gebiete könnten als wertvolle Referenzgebiete dienen, die uns einen Blick auf das gewähren, was unter den heutigen, schlechten Umweltbedingungen ohne direktes menschliches Eingreifen an mariner Natur – nämlich an mariner Wildnis – möglich ist. Der BUND fordert endlich einen realen und effektiven Schutz der Natura-2000-Gebiete.

Was in unseren Meeren schlummert

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Nadja Ziebarth

Nadja Ziebarth

BUND-Meeresschutzbüro
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Die Meeresschutzgebiete in der Nordsee
Die Meeresschutzgebiete in der Ostsee

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