
In den zehn ausgewiesenen Meeresschutzgebieten in Nord- und Ostsee müssen nach EU-Recht Schweinswale, Seevögel, wertvolle Sandbänke und Riffe geschützt werden. Tatsächlich darf aber jeder Quadratmeter im Schutzgebiet befischt werden – obwohl Fischerei der schwerste Eingriff ins Ökosystem Meer ist.
Das zeigt: Meeresschutz findet in Deutschland nur auf dem Papier statt. In den Natura-2000-Schutzgebieten sind auch acht Jahre nach ihrer Ausweisung keinerlei Schutzmaßnahmen in Kraft. Dagegen hat eine Allianz der Umweltorganisationen BUND, Greenpeace, WWF, Nabu, Deutsche Umwelthilfe, WDC (Whale und Dolphin Conservation) und dem Deutschen Naturschutzring (DNR) Klage eingereicht.
Schutz der Meere seit Jahren im toten Winkel der Zuständigkeiten
Das Problem: In Sachen Meeresschutz gibt es innerhalb der Regierung Kompetenzgerangel. Für die Regulierung der Fischerei ist das Landwirtschaftsministerium (BMEL) zuständig. Das Management der zehn Schutzgebiete in der deutschen "Ausschließlichen Wirtschaftszone" (AWZ), dem Gebiet zwischen zwölf und 200 Seemeilen jenseits der deutschen Küste, obliegt dem Umweltministerium (BMUB). Da sich die beiden Ministerien nicht einigen können, verwaist der Schutz der Meere seit Jahren im toten Winkel der Zuständigkeiten.
Anders als Irland, Spanien, Großbritannien und die Niederlande hat Deutschland bis heute keine einzige Schutzauflage für die Fischerei in marinen Natura 2000-Gebieten durchgesetzt. In ihrer Klage fordern der BUND und die weiteren Umweltorganisationen deshalb, den Einsatz umweltschädlicher Fischereimethoden wie Grundschleppnetze und Stellnetze nun endlich aus den Schutzgebieten zu verbannen.
Schweinswalen, Seevögeln und Riffen geht es zunehmend schlechter
Neben der Fischerei finden auch Sand- und Kiesabbau, der Bau von Offshore-Windkraftanlagen und die Suche nach Öl- und Gasvorkommen in den Schutzzonen statt. Die negativen Umweltfolgen sind den politisch Verantwortlichen bekannt: Der Zustand von wichtigen "Schutzgütern" wie Schweinswalen, Seevögeln und Riffen verschlechtert sich, wie der FFH-Bericht der Bundesregierung an die EU-Kommission beweist.
Formal sind 47 Prozent der Meeresfläche in deutschen Gewässern als Schutzgebiet ausgewiesen. Von den küstennahen Gewässern stehen 70 Prozent unter Schutz, der Schutzgebietsanteil in der deutschen AWZ beträgt über 30 Prozent.
- Hintergrundpapier der Umweltorganisationen-Allianz vom 22.11.2017 (PDF)
- zum Thema Meeresnaturschutz beim Bundesamt für Naturschutz
Verheerendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Am 13. Juni 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Einhaltung der europäischen Naturschutzvorschriften in Meeresschutzgebieten weitgehend über die im Fischereirecht vorgesehenen Verfahren geregelt werden muss.
Doch diese Verfahren ignorieren die verheerenden Auswirkungen der Fischerei auf Seevögel, Meeressäugetiere und artenreiche Riffe weitgehend. Anders als alle anderen Nutzungsformen bleibt ausgerechnet die Fischerei, die anerkanntermaßen die größten Schäden im Meer hinterlässt, praktisch davon verschont, ihre Vereinbarkeit mit dem Schutzgebiet mittels einer Verträglichkeitsprüfung nachzuweisen.
Nach dem EuGH-Urteil darf Deutschland nun die Fischerei innerhalb von Schutzgebieten in der deutschen Wirtschaftszone nicht selbstständig beschränken. Nahezu alle Maßnahmen, etwa um schädliche Fangmethoden zu begrenzen, müssen mit den EU-Nachbarstaaten verhandelt werden. Das Problem: Dieser Prozess dauert lange und die Vorschläge der Bundesregierung werden mehr und mehr verwässert. Insbesondere Dänemark und Frankreich blockieren.
Damit wird ein effektiver Schutz wichtiger Lebensräume und Arten massiv erschwert. Das EuGH-Urteil ist damit ein schwerer Rückschlag für den Meeresschutz!
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