Grüne Infrastruktur schaffen: Handbuch Biotopverbund zeigt wie es gelingt

Die Zerschneidung und Verinselung von Lebensräumen gehören zu den größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt. Neben Straßen und Siedlungen trennen monotone und ausgeräumte Agrarflächen die Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Um diesen Gefahren entgegen zu wirken, ist das Schaffen einer grünen Infrastruktur eine der wichtigsten Aufgaben des Naturschutzes.

Die neue EU-Biodiversitätsstrategie 2030 ist ein wichtiger Meilenstein für den Naturschutz auch in Deutschland: Sie umfasst konkrete Ziele für mehr Wildnis in Europa, die Stärkung des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 und des naturnahen Biotopverbund. Er sieht vor, eine europaweite Renaturierungs-Initiative zu starten.

Der Plan ist, 20 Milliarden Euro des EU-Budgets dem Erhalt der Arten und Lebensräume sowie dem Klimaschutz zu widmen. Schutzgebiete sollen auf 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meeresfläche die biologische Vielfalt effektiv schützen helfen und intensiv vernetzt werden. 

Unterstützt wird dieses Ziel durch ein neues EU-Renaturierungsrecht, um die Wiederherstellung der Natur rechtsverbindlich für die EU-Mitgliedstaaten zu machen. 

Der BUND fordert: 

  • Mindestens 15 Prozent der Fläche Deutschlands sollen für die Renaturierungs-Initiative der EU zur Verfügung gestellt werden. 
  • Im Schwerpunkt sollen Auen, Moore, artenarme Wiesen und Weiden und andere für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise unverzichtbare Lebensräume durch die EU unterstützt werden.
  • Die Flächen dürfen nicht zur Kompensation von Schäden nicht nachhaltigen Wirtschaftens missbraucht werden, sondern echten Mehrwert für Natur und Mensch schaffen.
Luftbild vom Grünen Band zwischen Thüringen und Hessen. Foto: Klaus Leidorf Das Grüne Band ist ein Beispiel dafür, dass die Umsetzung des länderübergreifenden Biotopverbunds vor Ort möglich ist.  (Klaus Leidorf)

Grüne Infrastruktur konkret – praktische Umsetzung des länderübergreifenden Biotopverbunds

Das Handbuch Biotopverbund gibt einen Überblick über den Status quo der wissenschaftlichen,  landschaftsplanerischen sowie rechtlichen Grundlagen und zeigt anhand vieler Beispiele die Rahmenbedingungen und vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten in Bund, Land, Kreis und Kommune auf.

Grundvoraussetzung zur Umsetzung des Biotopverbunds ist neben den notwendigen Finanzen die Sicherung der Verbundflächen in der räumlichen Planung und eine gestärkte Raumordnung, die eine grüne Infrastruktur als Zukunftsaufgabe engagiert aufgreift.

Ob das Günztal in Süddeutschland, das Netzwerk Grüne Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden oder Wiedervernetzung in Holstein: Die ausgewählten Positivbeispiele aus dem gesamten Bundesgebiet belegen, dass die Umsetzung eines Biotopverbundsystems für Trocken-, Feucht- und Waldlebensräume in der Fläche im Rahmen von Projekten auf unterschiedliche Weise möglich ist.

Von der Planung über die Antragsstellung und Finanzierung bis zum Projektmanagement enthält das Handbuch das nötige Rüstzeug, sich aktiv für  den Naturschutz und die praktische Umsetzung des Biotopverbunds zu engagieren. 

Jede und Jeder kann mithelfen

Wir sind stets auf der Suche nach positiven Beispielen. Bitte schreiben Sie uns, wenn Ihnen lokale Verbundprojekte bekannt sind!

Das Handbuch Biotopverbund ist als lebendiges Dokument gedacht: Daten verändern sich, Quellen kommen hinzu, ebenso wie neue Erkenntnisse. Wir freuen uns daher auf Ihr Feedback unter handbuch(at)bund.net, um das Buch stets aktuell zu halten!

Fragen zum Biotopverbund

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Wieso, Weshalb, Warum?

Isolierte Bestände einer Art reagieren besonders sensibel auf Zufallsereignisse wie Krankheiten oder Wetterextreme. Hinzu kommt die Gefahr durch Inzucht und genetische Verarmung. Stirbt die Art lokal aus, kann der Lebensraum häufig nicht wiederbesiedelt werden. Die Art bleibt dort dauerhaft ausgelöscht. Vor allem Arten mit hohem Spezialisierungsgrad und enger Bindung an bestimmte Lebensräume wird die Wiederausbreitung erschwert. Besonders zum Tragen kommt dies vor dem Hintergrund des Klimawandels und den zu erwartenden klimatischen Verschiebungen und Veränderungen der Lebensräume.

Was ist der Biotopverbund?

Ziel des Biotopverbundes ist es, die funktionalen ökologischen Wechselbeziehungen in der Landschaft zu bewahren, wiederherzustellen und zu entwickeln. Das Rückgrat des Biotopverbunds sind die Reste natürlicher Flächen, wie sie in Nationalparks, Kerngebieten von Biosphärenreservaten, Naturschutzgebieten oder Natura-2000-Gebieten zu finden sind.

Bedingt durch Anzahl, Größe und Verteilung der Schutzgebiete können in diesen jedoch lediglich 30 bis 40 Prozent der heimischen Arten erhalten werden. Um einem Großteil der heimischen Fauna und Flora das Überleben zu ermöglichen, spielt daher auch die Qualität der Landschaft außerhalb von Schutzgebieten eine entscheidende Rolle. Da diese aber für viele Arten nicht selten eine lebensfeindliche Umgebung darstellt, sollen Verbundelemente die Landschaft durchlässiger machen. Korridore und Trittsteine sollen einen Austausch zwischen Populationen der Kernbereiche sowie Wanderungs-, Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse gewährleisten.

Was sind die Herausforderungen?

Eine wesentliche Hürde zur Realisierung des Biotopverbunds ist der hohe Flächendruck durch Land- und Energiewirtschaft sowie Siedlungs- oder Verkehrswegebau. Viele Regionen sind geprägt von einer besonders intensiven land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung mit sehr heterogener und vielerorts mosaikartiger Besitzstruktur. In einer solchen gewachsenen Kulturlandschaft ist die Flächenverfügbarkeit gering, die "Konkurrenz" groß und der Bodenpreis hoch. Auch die Vielzahl an Beteiligten stellt Naturschützer*innen bereits im Zuge der Flächenakquise vor große Herausforderungen. Je weiträumiger der angestrebte Biotopverbund, desto komplexer das Gefüge unterschiedlicher Akteur*innen und der fachlichen Anforderungen.

Die konkrete Umsetzung kann nur auf lokaler Ebene geschehen. Fehlendes Wissen über mögliche Maßnahmen, Finanzierungsoptionen und nötige Arbeitsschritte hemmen hier die Erfolge. Naturschutzfachliche Anforderungen und gesetzliche Rahmenbedingungen sind oft nur Fachleuten bekannt. Auch ist es notwendig, lokale Möglichkeiten verständlich und transparent zu kommunizieren. So können Bürger*innen den Schutz der Natur stärker als eigene Handlungsoption begreifen.

Geht das überhaupt?

Es gibt Beispiele die belegen, dass die Umsetzung des länderübergreifenden Biotopverbunds vor Ort möglich ist. So konnte das Grüne Band mit seiner 1.393 Kilometer langen Biotopkette zu Deutschlands größtem Biotopverbundsystem entwickelt werden. Der BUND hat die Einzigartigkeit dieses Naturraums früh erkannt und engagiert sich seit Jahrzenten für seine Erhaltung, Pflege und Weiterentwicklung. Die große Variabilität an Lebensräumen erfordert jeweils angepasste Lösungsansätze. In vielen Regionen Deutschlands arbeiten haupt- und ehrenamtliche Naturfreund*innen daran, dieses einzigartige Refugium zu erhalten und Pflanzen und Tieren wieder mehr Raum zu geben.

Ein weiteres Beispiel ist das Rettungsnetz Wild­katze, in dem seit 2004 in 10 Bundeslän­dern erfolgreich Flächen entlang des "Wild­katzen­wege­plans" für den Waldverbund gesichert und in Korridore oder Trittsteine umgestaltet werden.

Auch im Projekt Biotopverbund Günztal werden im Rahmen des "BayernNetz Natur" unter Beteiligung zahlreicher Akteure Biotop­verbund­strukturen umgesetzt. Von dem praktischen Umsetzungswissen dieser und weiterer Projekte sollen auch Andere profitieren. Die bereits erzielten Erfolge können als Blaupause für neu zu schaffenden Biotopverbund vermittelt werden. Hier möchte das vom BUND geplante Handbuch ansetzen.

Logo Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Bundesamt für Naturschutz Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Natur, Bau und Reaktorsicherheit.

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