Gene Drives
"Gene Drives", die gentechnische Veränderungen wildlebender Arten, bergen große Gefahren. Der BUND fordert deshalb ein weltweites Moratorium dieser Gentechnik-Methode.
Bisher ist Gentechnik in der EU streng reguliert, noch können Verbraucher*innen selbst entscheiden, was auf ihre Teller kommt. Die EU-Kommission will das nun ändern und zukünftig gentechnisch manipulierte Pflanzen ohne sorgfältige Prüfung zulassen. Der BUND unterstützt eine neue Petition, die starke Sicherheitsstandards für Gentechnik und Wahlfreiheit für Verbraucher*innen fordert.
Mit seinem Urteil zur Gerichtssache C‑528/16 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2018 geklärt, dass auch die NGT unter das geltende europäische Gentechnikrecht fallen und entsprechend zu regulieren sind. Das Urteil war eindeutig, da auch durch diese Verfahren "eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird". Explizit hat der EuGH in seiner Urteilsbegründung auf das Vorsorgeprinzip, das der Gentechnikregulierung zugrunde liegt, Bezug genommen. Darin wurden nun auch die mit neuen Verfahren erzeugte Organismen eingeschlossen und den Verpflichtungen der Richtlinie 2001/18/EG (Freisetzunsgrichtlinie) unterworfen. Das bedeutet eine Pflicht zur Prüfung, Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.
In der Risikobewertung ist dabei nicht nur das Ergebnis entscheidend, sondern die Prüfung wird bereits durch das Verfahren der genetischen Veränderung veranlasst. Die EU-Prüfung für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) greift daher beide Aspekte auf: Der Prozess definiert die Notwendigkeit der Prüfung, untersucht wird dann das jeweilige Produkt, also der GVO.
Dies geht noch nicht so einfach wie bei den bisherigen Gentechnik-Pflanzen, bei denen schon Verfahren entwickelt wurden und in der Regel nur nach schon bekannten genetischen Markern gesucht wird. Generell gilt jedoch: Unternehmen, die GVO auf den Markt bringen wollen, müssen ein spezifisches Nachweisverfahren und entsprechendes Referenzmaterial liefern.
Dass auch neue GVO nachgewiesen werden können, wenn Referenzmaterial vorliegt, hat ein in der Kooperation von NGOs und Wirtschaftsakteuren entwickeltes Nachweisverfahren für einen Cibus-Raps gezeigt.
Es ist die Aufgabe der Europäischen Kommission, dass auch für diese Generation von GVO Testmethoden entwickelt werden, und die europäischen Labore ihre Nachweisprotokolle für nicht zugelassene GVO aktualisieren, um sie identifizieren zu können.
Daneben gibt es weitere Hinweise, dass die Eingriffe ins Genom mit neuen gentechnischen Verfahren erfolgt sind: Betrifft eine Veränderung beispielsweise alle Kopien des Gens im Genom, ist das ein Indiz für neue Gentechnik – bei herkömmlicher Gentechnik und traditionellen Mutationen (z. B. durch Strahlung und Chemikalien) ist es sehr unwahrscheinlich, ein solches Muster zu finden.
Von Interesse ist darüber hinaus folgendes: Durch herkömmliche Züchtung entstandene Organismen dürfen nicht patentiert werden, wie das Europäische Patentamt erst im Mai 2020 bestätigte. Wenn nun, wie allgemein üblich, NGT-Anwender Patentschutz für ihre Produkte beantragen, gehen sie offenbar davon aus, dass diese keine aus herkömmlicher Züchtung entstandenen Organismen sind. Dann wäre der Eingriff nachweisbar und ein Patentanspruch durchsetzbar.
Es gilt: Voraussetzung für eine einfache Nachweisbarkeit wie bei den bisherigen GVO ist vorliegendes und zugängliches Material. Ein (mindestens) europäisches Register aller existierenden GVO (einschließlich derer, die mit Hilfe neuer Verfahren erzeugt wurden) würde den Behörden helfen, wie im EU-Recht vorgesehen auf genetische Veränderungen zu testen. Wir fordern deshalb gemeinsam mit vielen anderen Organisationen eine europäische oder weltweite Datenbank, die auch im Rahmen der CBD festgeschrieben sein könnte. Schon 2017 hat außerdem die Gemeinsame Forschungsstelle der EU es als den effizientesten Weg, Importe zu testen, bezeichnet, gezielt Zulassungen in anderen Ländern, Patentanmeldungen und andere Informationen zu prüfen.
Den gentechnischen Verfahren der neuen Generation ist gemeinsam, dass sie Änderungen direkt im Genom erzeugen, also zum Beispiel unter Nutzung von DNA-Schneideenzymen einen Doppelstrangbruch in der DNA herbeiführen. Da die dann eintretenden Reparaturmechanismen aufgrund der Schneideenzyme aber nur fehlerhaft erfolgen können, führt dies zu Änderungen im Organismus. Im Gegensatz zu Methoden der Transgenese wird nicht notwendigerweise fremdes Erbgut ins Genom eingeschleust, insbesondere für tiefgreifendere Änderungen im Genom wird aber auch mit den neuen Verfahren Fremd- oder synthetische DNA eingebaut. Mehr Informationen
Lebende, vermehrungsfähige Organismen lassen sich aus der Natur nicht mehr "zurückholen". Nach dem Vorsorgeprinzip dürfen deshalb Organismen erst dann in die Natur "freigesetzt" werden, wenn ihre Unbedenklichkeit sorgfältig geprüft ist. Auch bei neuartigen GVO treten neben gewollten Veränderungen häufig ungewollte und unvorhersehbare Genveränderungen auf.
Darüber hinaus liefern Verfahren wie CRISPR/Cas auch bedrohlichere Möglichkeiten eines tieferen Genom-Eingriffs:
Die Erfinder von CRISPR/Cas9 bezeichnen ihre Technik selbst als "mächtig" und deshalb vor allem in der medizinischen Anwendung strenger Regulierung bedürfend. Bei so viel potenzieller Wirkung ist besondere Vorsicht ein Gebot der Vernunft!
Immer wieder argumentieren Gentechnikbefürworter*innen damit, dass mit dem Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut Ernährungssicherheit erlangt werden kann. Doch die letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Ernährungssicherung ist kein Mengenproblem, sondern ein Verteilungsproblem. Weltweit werden genügend Lebensmittel produziert, das geht aus den Berichten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Weltagrarbericht hervor.
Doch mit Gentechnik wird die strukturelle Ungleichheit, die dem Hungerproblem zugrunde liegt, nicht abgebaut, sondern verschärft. Denn sie stärkt die Macht der Konzerne, schafft mehr Abhängigkeiten und schwächt weltweit die Souveränität der Bauern. Wir plädieren für eine Landwirtschaft, die zusammen mit einer intakten Umwelt funktionieren kann und deren Funktionen, wie gesunde Böden, sauberes Wasser und Biodiversität, erhält. Nur so kann nachhaltig und langfristig die Ernährung gesichert werden und die Unabhängigkeit der Bauern gefördert werden. Gute Beispiele für diese Art der Landwirtschaft sind die Agrarökologie und Agroforstwirtschaft – ganz ohne Gentechnik!
Auch hier gilt: Gentechnische Veränderungen zielen auf die Änderung von einzelnen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren ab. Um die großen Zukunftsthemen, wie Klimakrise und Biodiversitätsverlust, anzugehen, braucht es jedoch eine Änderung des Systems von Anbau und Lebensmittelerzeugung. Denn die letzten Jahre haben gezeigt: Die Klimakrise führt zu insgesamt mehr Extremwetterereignissen, also nicht nur Hitze und Dürren, sondern auch zu Überschwemmungen und Starkregen mit einem Übermaß an Nässe.
Es braucht also widerstandsfähige Sorten, und vor allem: widerstandsfähige Systeme und „Resilienz“, Dies entsteht nicht isoliert durch Pflanzengenetik, sondern durch ein resilientes System: durch einen belebten, humusreichen Boden, der Wasser gut aufnehmen und speichern kann, durch Risikostreuung durch den Anbau verschiedener Kulturen und Sorten, und durch vielfältige und kleinräumige Agrarlandschaften.
Hinzu kommt: Pflanzen reagieren komplex auf Trockenheit, Kälte oder Salzstress. Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz beruhen nicht nur auf einem Gen, sondern auf dem Zusammenspiel vieler verschiedener Gene. Aber auch die neuartigen Gentechnik-Verfahren zielen auf die Veränderung einzelner Gene – und es ist daher fraglich, dass sie in der Lage sind, komplexe Eigenschaften zu ändern. (Ähnliches gilt für Resistenzen gegenüber Krankheiten – beruht diese nur auf einem Gen, werden sie schnell gebrochen.)
Es ist daher wichtig, bei der Lösungsfindung auf die Diversität der Sorten und Arten zu setzen, die wir (noch) haben: So existieren bereits konventionell gezüchtete und standortangepasste Sorten, die ertragreich und robust sind. Außerdem benötigen wir für widerstandsfähige Agrarsysteme neben angepassten Sorten humusreiche Böden und eine hohe Artenvielfalt. Die kann nur mit einer nachhaltigen Landwirtschaft geschaffen werden und nicht mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die auf Monokultur und Pestiziden aufbauen.
Auch dieses Versprechen aus den neunziger Jahren hat sich nicht erfüllt, im Gegenteil.
Die im Anbau befindlichen GVO sind zu fast hundert Prozent Herbizid- und/oder insektenresistent. Auch in Ländern, die Gentechnik nur begrenzt regulieren, sind kaum GVO mit anderen Eigenschaften auf dem Markt. Das liegt daran, dass Eigenschaften wie Stresstoleranz und Ertrag auf einem komplexen Wechselspiel von Genen und externen Faktoren beruhen, das auch angesichts wechselnder Umweltbedingungen kaum künstlich zu steuern ist. Deshalb ist konventionelle Züchtung bei der Verbesserung solcher Eigenschaften erfolgreicher.
Der breite Anbau herbizidresistenter Pflanzen hat zu einem erhöhten Einsatz von Ackergiften geführt, denn die resistenten Kulturpflanzen (Soja/Mais/Baumwolle etc.) können ungehindert mit dem jeweiligen Herbizid besprüht werden. Alle ungewünschten Begleitpflanzen sterben dabei ab. Auch beim Anbau insektenresistenter Pflanzen, die selbst Toxine produzieren, werden häufig nicht dauerhaft weniger Pestizide eingesetzt. Denn früher oder später können auch hier resistente Schadinsekten auftreten, die wiederum mit Pestiziden bekämpft werden. Als Reaktion auf entstandene herbizidresistente Wildkräuter werden wiederum neue gentechnisch veränderte Pflanzen erzeugt, die gegen mehr als ein Herbizid resistent sind, oder die Kombination von Herbizidresistenz und zusätzlicher Produktion von Bt-Toxinen (giftig für Schmetterlinge und Käfer) (sog. stacked traits/ stacked events).
Für die großen Konzerne wie Bayer/Monsanto, Syngenta, oder Dow/DuPont ein profitables Geschäft, denn die Agrarchemie-Riesen teilen sich sowohl im (Gen-)Saatgut- wie auch im Pestizidweltmarkt die größten Marktanteile untereinander auf.
GVO, deren Anbau mit dem massiven Einsatz von Totalherbiziden und Pestiziden einhergehen, sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.
Ein wesentlicher Motor der Nutzung von Gentechnik für die Erzeugung von Pflanzen und Tieren für die Landwirtschaft ist die Möglichkeit, die Produkte durch Patente zu schützen. Denn damit wird das eigentlich geltende Patentverbot auf lebende Organismen umgangen. Das bedeutet für Bäuer*innen, dass sie ihre eigene Ernte nicht wieder aussäen dürfen und für Züchter*innen, dass sie damit nicht weiterzüchten können. NGT-Organismen werden ebenso wie die Produkte der bisherigen Gentechnik patentiert. Das geht aus dem Patentbericht 2020 hervor.
Neue Gentechnik ist ein in Deutschland und Europa breit beforschtes und finanziertes Gebiet. Unabhängige Risikoforschung spielt dabei eine untergeordnete und unterfinanzierte Rolle. Auch gentechnikfreie Züchtungsverfahren haben das Nachsehen, denn: liegt der Fokus weiter auf der Entwicklung von GVO, steht weniger Geld für die Alternativenforschung zur Verfügung. Die Erforschung traditioneller und alter resilienter Sorten und deren Potential wird vernachlässigt. So verpassen wir den Schritt hin zu einer zukunftsfähigen ökologischen Züchtungsforschung. Damit befördert die momentane Forschungspolitik eine gefährliche Abhängigkeit von einem einzigen Entwicklungs-Pfad.
"Gene Drives", die gentechnische Veränderungen wildlebender Arten, bergen große Gefahren. Der BUND fordert deshalb ein weltweites Moratorium dieser Gentechnik-Methode.
Gentechnisch manipulierte Pflanzen bergen Risiken für die Umwelt und unsere Ernährung. Obwohl die Gentech-Industrie all ihre Versprechen nicht halten konnte, preist sie vermeintliche Vorteile weiter an.
Seit 1995 werden gentechnisch veränderte Pflanzen kommerziell angebaut. Die Äcker in der EU sind bisher weitgehend frei von Gentechnik, der weltweite Anbau konzentriert sich auf acht Länder.
Als Risikotechnologie unterliegt die Agro-Gentechnik einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen und Regelungen. Ein Großteil wird auf Ebene der EU vorgeschlagen, beraten und beschlossen.
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