Kohlekommission: Einstieg in den Ausstieg – aber zu wenig für das Klima

Die Kohlekommission hat einige gute Ergebnisse gebracht. Zur schmerzhaften Wahrheit gehört aber auch, dass sie deutlich hinter den Erfordernissen des Klimaschutzes zurückbleibt.

Der Kompromiss, der am 26.1.2019 frühmorgens gefunden wurde, bringt den Einstieg in den Kohleausstieg und damit endlich den Anfang vom Ende der Kohle. Mit der Festlegung, bis 2022 erste Kohlekraftwerke abzuschalten, kann auch der Hambacher Wald erhalten bleiben – und der größte Tagebau Europas wird damit frühzeitig beendet.

Zudem werden, dem Vorschlag der Kohlekommission folgend, keine neuen Tagebaue genehmigt und keine neuen Kraftwerke wie Datteln IV mehr ans Netz gehen. Die Bundesregierung ist jetzt am Zug und muss die Empfehlungen der Kommission klimapolitisch konsequent umsetzen – auch für den Zeitraum nach 2022. So werden auch die noch von Abbaggerung bedrohten Dörfer gerettet.

Gleichzeitig kann mit den vorgeschlagenen Maßnahmen und Geldern ein sozial gerechter Wandel gelingen. Zur schmerzhaften Wahrheit gehört, dass das Ergebnis der Kohlekommission deutlich hinter den Erfordernissen des Klimaschutzes zurückbleibt.

ABSCHLUSSBERICHT DER KOHLEKOMMISSION

Der Kohleausstieg wird deutlich früher kommen 

Der BUND hat in der Kohlekommission grundsätzlich für das Ergebnis gestimmt. Dies war eine schwere Entscheidung. Doch der Kompromiss bietet die Chance, jetzt den Klimaschutz in Deutschland wiederzubeleben und kurzfristig wichtige Veränderung zu erreichen.

In einem eigenen Minderheitenvotum distanziert sich der BUND jedoch gemeinsam mit den anderen Umweltverbänden, die in der Kommission vertreten waren, vom vorgesehenen Enddatum 2038 für den Kohleausstieg und der fehlenden Festlegung auf einen konkreten Minderungspfad bis 2030 und darüber hinaus.

Noch vor wenigen Jahren haben wir gegen neue Kohlekraftwerke gekämpft, jetzt stehen die Zeichen auf Ausstieg. Doch für die Befriedung des gesellschaftlichen Großkonfliktes um die Kohle kann das nur ein erster Schritt sein. Der klimapolitische Ehrgeiz des Kompromisses ist zu gering und zu viele zentrale Fragen sind offen geblieben.

Die Bundesregierung hat es aber in der Hand, in der Umsetzung eine engagierte Klimapolitik zu verfolgen. Das ist auch bitter nötig: Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher, die Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten. Damit wird der Druck auf die Politik und die Kohleindustrie weiter wachsen und der Ausstieg wird deutlich früher kommen als 2038.

Sondervotum der Umweltverbände

Die Aufgabe bleibt der schnellere Ausstieg 

Es bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass die Bevölkerung in übergroßer Mehrheit den Ausstieg will, aber die Beharrungskräfte noch immer die entscheidenden Schritte verhindern konnten. Nicht zuletzt die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen haben ein besseres Ergebnis für den Klimaschutz in der Lausitz unmöglich gemacht.

Das ist bitter, auch angesichts der Milliardenbeträge, die in die Region fließen sollen, um den Strukturwandel abzufedern. Wie teuer der Ausstieg tatsächlich wird, liegt auch in den Händen der Bundesregierung. Er wäre sicher billiger zu haben gewesen, hätte die Regierung schon beizeiten selbst entschieden.

Für den BUND heißt das Ergebnis der Kohlekommission, dass die Arbeit unvermindert weitergeht. Aber unter neuen Vorzeichen. Wir werden die Chancen nutzen und weiter Druck machen, um den Ausstieg zu beschleunigen.

Der BUND ist ein Verband mit starken Prinzipien – unser FAQ erklärt, warum wir dennoch im Grundsatz für den Kompromiss gestimmt haben und was die Ergebnisse der Kommission im Einzelnen bedeuten:

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Warum hat der BUND dem Abschlussbericht der Kohlekommission zugestimmt?

Der BUND hat für das Ergebnis der Kohlekommission votiert, weil es die Chance ist, den Kohleausstieg endlich zu beginnen, für den wir seit Jahrzehnten streiten. Nur so ist jetzt die Bundesregierung in Zugzwang, die Empfehlungen der Kommission zu konkretisieren und umzusetzen. Würde der Beginn weiter verzögert, bedeutete das weitere Jahre des ungebremsten CO2-Ausstoßes durch Kohlekraftwerke. Das wollten und konnten wir als Klimaschützer*innen nicht verantworten! Werden die Weichen jetzt auf Ausstieg gestellt, wird der Abschied von der Kohle schneller verlaufen, als sich die Kommission das in ihrer Mehrheit vorstellen konnte. Durch das Pariser Klimaabkommen und die Prozesse auf EU-Ebene wird auch Deutschland in den nächsten Jahren seine Klimaziele nach oben anpassen müssen – und den Kohleausstieg beschleunigen. Wichtig ist das Signal, dass die Kohle in Deutschland auf ihr Ende zusteuert. Die klimapolitische Lethargie wird aufgebrochen.

Auf der Habenseite beim Kommissionsergebnis ist die empfohlene Abschaltung fast aller sehr alten Braunkohlekraftwerken im Rheinland (3 Gigawatt Leistung von 3,6) – und damit ausdrücklich der Erhalt des Hambacher Waldes. Das bedeutet zugleich, dass der größte Tagebau Europas vor dem Wald stoppt und bald zu Ende geht.

Insgesamt werden die Treibhausgase bis 2022 um rund 30 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich gesenkt (die Lücke zum Klimaziel 2020 beträgt allerdings rund 100 Millionen Tonnen). Neue Kohlekraftwerke werden nicht mehr gebaut oder in Betrieb genommen. Das betrifft auch das fast fertiggestellte 1.000-Megawatt-Kohlekraftwerk Datteln IV und das Neubauprojekt in Stade, gegen die der BUND seit Jahren auch juristisch aktiv ist. Neue Tagebaue, wie sie in der Lausitz noch drohen, soll es nicht mehr geben. Diese Eckpunkte heißen: Kein Dorf muss mehr weichen (was das genau für die gefährdeten Dörfer bedeutet, s.u.).

Zwischen 2023 und 2030 sollen Braunkohlekraftwerke im Umfang von sechs Gigawatt (GW) Leistung stetig vom Netz genommen werden, also alle alten, besonders dreckigen Kraftwerke. "Stetig" bedeutet kontinuierliche Minderungen. Damit halbiert sich die Braunkohlekapazität von demnächst 18 GW auf 9 in 2030. Im Jahr 2025 soll eine weitere Ruduktion von zehn Millionen Tonnen CO2 erreicht sein. Das entspricht zwei GW, die sich auf das Kraftwerk Jänschwalde beziehen, bei dem die Landesregierung am liebsten Ersatz durch ein fragwürdiges "Innovationsprojekt" schaffen würde. Folglich ist der Tagebau Welzow Süd 2 definitiv nicht mehr nötig und das Dorf Proschim kann stehenbleiben. Allerdings bleibt die Empfehlung erstmal Papier, wenn Bund und Land sie nicht entsprechend umsetzen.

Die Leistung der Steinkohlekraftwerke (am Markt) soll von heute rund 21 auf 8 GW sinken. Viele Steinkohlekraftwerke sind allerdings bereits heute wirtschaftlich unter Druck und werden stillgelegt (erwartet werden rund 2,5 GW Ersatz/Stilllegungen bis 2022). Der CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke in Deutschland reduziert sich damit von heute rund 220 Millionen Tonnen CO2 auf noch ca. 90 Millionen Tonnen im Jahr 2030.

Spätestens mit den vorgesehenen Revisionszeitpunkten 2023, 2026 und 2029 kann der klimapolitische Ehrgeiz erhöht werden. Eine "Revision nach unten" wäre nach den Prinzipien des Pariser Klimaabkommens grundsätzlich unzulässig. Denn dass andere Sektoren die nötigen CO2-Minderungen der Energiewirtschaft übernehmen, ist unwahrscheinlich.

Gegen diese Chancen wollte der BUND nicht stimmen und auch nicht gegen den Hambacher Wald. Dass das Ergebnis der Kohlekommission viel zu wenig ist für das Klima und viel weniger als wir gefordert haben, schmerzt. Es ist umso mehr Ansporn für die nächsten Monate und Jahre – um das Kapitel Kohle in Deutschland schneller zu beenden. 

Was fehlt beim Ergebnis der Kommission und wie geht es jetzt weiter?

Die empfohlenen Eckdaten für den Kohleausstieg stehen nicht im Einklang mit den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens. Das gilt für den gesamten skizzierten Pfad, vom Reißen des 2020-Klimaziels, über das ohnehin zu schwache Sektorziel für 2030 bis zum späten Enddatum 2038. Darüber hinaus hat die Kohlekommission nicht festlegen wollen, in welchen konkreten Schritten der Ausstiegspfad für die Kohle umgesetzt werden soll. Viele Empfehlungen der Kommission sind zu unklar geblieben, weil man sich nicht einigen konnte. Etwa beim Thema Umsiedlungen von Tagebau-bedrohten Dörfern oder den Problemen bei der Nachsorge der Tagebaue. Ein Problem, aber vielleicht auch Chance für die Gesetzgebung.

Denn die Bundesregierung muss die unverbindlichen Empfehlungen der Kohlekommission jetzt zügig in einem Gesetz festschreiben, um den vereinbarten Beitrag zum Klimaziel 2020 schnell zu realisieren und damit den Ausstieg einzuleiten. Dafür muss die Regierung vorrangig Verhandlungen mit RWE aufnehmen, weil an deren Kraftwerksstandorten Neurath und Niederaußem die frühen Braunkohleabschaltungen passieren müssen.

Für die Abschaltungen ab 2023 müssen zusätzlich mit der LEAG/MIBRAG, dem Braunkohlekonzern im Osten, und den Betreibern der Steinkohlekraftwerke Verhandlungen beginnen. Diese müssten laut Kommissionsbericht Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein – das ist viel zu spät. Die Regierung muss unabhängig davon einen Plan für den kontinuierlichen Abbau der Kohlekraftwerke ausarbeiten, um im Zweifel auch ohne das Einvernehmen der Betreiber die Kraftwerke vom Netz zu nehmen. So ist es im Kommissionsbericht vorgesehen.

Zusätzlich soll zügig ein Maßnahmengesetz für den Strukturwandel auf den Weg gebracht werden, welches den Kohlerevieren substantielle Mittel und vorrangige Projekte über 20 Jahre garantieren soll. Weitere Haushaltsmittel sollen unabhängig fließen, u.a. für ein Sofortprogramm bis 2021.

Die Landesregierungen in NRW sowie in Brandenburg und Sachsen müssen zudem zeitnah Lösungen für die noch geplanten Umsiedlungen und Zerstörungen von Dörfern zu finden (s.u.). Die Landesplanungen und (in NRW) auch die bergrechtlichen Zulassungen für die Tagebaue müssen geändert werden. 

Im Detail: Was soll bis 2022 passieren?

Die Kommission hatte den Auftrag, einen Beitrag der Energiewirtschaft zum baldigen Erreichen des Klimaziels 2020 zu definieren. Da es über die Untätigkeit der Bundesregierung inzwischen 2019 geworden ist, hat die Kommission den Zeitraum für diese Maßnahmen von jetzt bis 2022 ausgedehnt.

Bis zum Jahr 2022 soll die installierte Leistung von Braun- und Steinkohlekraftwerken auf jeweils 15 Gigawatt (GW) sinken. Das ist gegenüber 2017 ein Rückgang von fast fünf GW Braunkohleleistung und 7,7 GW bei der Steinkohle – rund ein Viertel der gesamten installierten Leistung. Allerdings ist das nicht alles neu vereinbart worden: Bei der Braunkohle sind es drei GW zusätzlich zur sogenannten "Sicherheitsbereitschaft" für Braunkohleblöcke, die bereits 2015 beschlossen wurde.

Das große Steinkohlekraftwerk Datteln IV, dessen Inbetreibnahme für dieses Jahr geplant war, soll nun nicht mehr ans Netz gehen. Der Abwärtstrend bei der Steinkohle hat sich in den vergangenen zwei Jahren marktgetrieben beschleunigt, einige Kraftwerk werden ohnehin stillgelegt. Die Kommission empfiehlt bei der Steinkohle damit eine zusätzliche Reduktion um insgesamt 4,5 GW. Die zusätzlichen Stilllegungen allein bringen rund 30 Millionen Tonnen CO2-Reduktion, woran die Braunkohlestilllegungen den größten Anteil haben.

Die Kommission empfiehlt zur Umsetzung der Stilllegungen eine einvernehmliche Vereinbarung mit den Betreibern gegen Entschädigung. Rechtlich wäre allerdings auch eine entschädigungsfreie Stilllegung mit einer gewissen Übergangszeit möglich. Diese Karte kann die Bundesregierung also auch noch ziehen.

Zugleich hält es die Kommission in ihrer ganzen Breite für "wünschenswert", dass der Hambacher Wald erhalten bleibt. Das wäre vor den großen Protesten im Sommer und Herbst 2018 undenkbar gewesen. Zusammen mit der vorgesehenen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken im Rheinland im Umfang von drei GW bedeutet das, dass der Wald stehen bleibt. RWE wird nun aber versuchen, sich seine alten Meiler von den Steuerzahler*innen noch vergolden zu lassen. 

Wie lautet die Vereinbarung bis 2030?

Positiv ist, dass die Kommission erstmals konkretisiert hat, was das Sektorziel der Energiewirtschaft für die maximal noch zulässige Kohleleistung bedeutet: 16 Gigawatt (GW) dürfen 2030 maximal noch am Netz sein, davon neun GW Braunkohle. Das von der Bundesregierung festgelegte Sektorziel entspricht nur leider nicht den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens.

Gegen die Ministerpräsidenten der Braunkohleländer im Osten war kein vernünftiger Beitrag der Lausitzer Braunkohle durchzusetzen. Dabei geht aus den Zahlen eindeutig hervor, dass auch die alten Kraftwerke im Osten bis 2030 vom Netz sein müssen, da sonst das Sektorziel und die vorgesehene Leistungs-Reduktion nicht zu erreichen sind. Bereits 2025 soll das Kraftwerk Jänschwalde ersetzt oder stillgelegt sein. Dem entsprechen die zehn Millionen Tonnen weitere CO2-Reduktion bis 2025, "möglichst durch ein Innovationsprojekt". Dieses von der Landesregierung Brandenburg angestrebte Projekt ist nach heutigem Stand nicht mehr als eine unerprobte und zudem unsinnige Idee.

Vorgesehen ist auch hier zur Umsetzung eine einvernehmliche Regelung mit den Betreibern gegen Entschädigungen bis Juni 2020. Wenn allerdings diese einvernehmliche Lösung nicht zustande kommt, ist ausdrücklich eine ordnungsrechtliche Stilllegung als Rückfalloption vorgesehen. Entschädigungen sollen dann nur gezahlt werden, soweit dies rechtlich geboten ist.

Das gilt so im Grundsatz auch bei der Steinkohle. Allerdings fehlen hier die konkreten Minderungsschritte bis 2030 noch vollständig. Im Steinkohlebereich sollen die nötigen Minderungen zudem über Ausschreibungen erreicht werden. Dabei kommt es stark auf die Ausgestaltung durch die Politik an, damit potenziell unrentablen Kraftwerken nicht unnötig Geld hinterhergeworfen wird.  

Was ist mit dem Hambacher Wald?

Dank der riesigen Proteste gegen die Abholzung des Hambacher Waldes und der juristischen Erfolge des BUND hat sich die Kommission letztlich für den Erhalt des Waldes ausgesprochen. Eine 180-Grad-Wende seit dem Start der Kommission! Dass also auch die Vertreter*innen der Energiewirtschaft, der IG BCE, der Industrie inzwischen nicht mehr anders konnten, als zu wünschen, dass der Wald erhalten bleibt, ist ein Erfolg der ganzen Klimabewegung.

Abgesichert ist diese Formulierung durch die anvisierte Abschaltung von Braunkohlekraftwerken mit einer Leistung von drei Gigawatt (GW) bis 2022. Da aus politischen Gründen keine Abschaltungen im Osten erfolgen sollen, bedeutet das die Stilllegung der alten Braunkohleblöcke an den Standorten Neurath und Niederaußem. Ein uralter 600-Megawatt-Block wäre damit noch nicht zur Stilllegung vorgesehen.

Zugleich kann der Tagebau Hambach damit nicht weiter ausgedehnt werden und die Förderung wird in wenigen Jahren zum Stillstand kommen – RWE wollte hier ursprünglich bis 2040 Kohle fördern!

Doch auch im Falle des Hambi gilt: Nichts ist gesichert, bevor die Umsetzung nicht stattgefunden hat. Deshalb hält der BUND natürlich auch seine Klage gegen den Tagebau aufrecht. 

Was ist mit den von Tagebauen bedrohten Dörfern?

Für die bedrohten Dörfer bedeutet der Kohlekompromiss leider noch keine endgültige Sicherheit. Aber die geplanten Abschaltungen von Kraftwerken (drei Gigawatt im Westen bis 2022, Jänschwalde bis 2025) reduzieren die benötigten Kohlemengen aus den Tagebauen so, dass die Dörfer am Tagebau Garzweiler und das Dorf Proschim am Tagebau Welzow gerettet werden können. Die Vorgabe, dass insgesamt keine neuen Tagebaue "zur energetischen Nutzung" mehr aufgeschlossen werden, schließt somit eigentlich die Abbaggerung weiterer Ortschaften in der Lausitz aus. Denn alle diese Orte sind bislang nicht von Rahmenbetriebsplänen erfasst.

Jetzt kommt es entscheidend auf die Umsetzung der Ergebnisse der Kohlekommission durch die Bundesregierung und die Landesregierungen an. Der Tagebau Garzweiler muss verkleinert und die geplante Betriebsführung abgeändert werden. Die Landesregierungen müssen schnell den Prozess aufsetzen, um gute Lösungen für die Betroffenen zu finden – für die, die bleiben wollen und für die, die bereits gehen wollten. Der Kampf um die Dörfer geht in die entscheidende Phase. 

Was bedeutet das späte Enddatum bis 2038?

Die Kommission konnte sich auf Druck der ostdeutschen Länder nur auf ein Enddatum der Kohlekraft bis zum Jahr 2038 einigen. Notwendig für den Klimaschutz wäre ein Kohleausstieg bis 2030.

Das späte Enddatum soll im Jahr 2032 nochmals überprüft werden mit der Option, es auf 2035 vorzuziehen. Dem widerspricht allerdings, dass die Kommission die Überprüfung des Enddatums zugleich für die Jahre 2026 und 2029 empfiehlt.

Der BUND geht davon aus, dass das Ende der Kohle deutlich früher kommen wird. Wenn allein die erneuerbaren Energien wie geplant bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent haben, wird sich die Kohle bereits Anfang der 2030er Jahre auch wirtschaftlich erledigen. 

Was bekommen die Reviere?

Die Abfederung des Strukturwandels war von Seiten der Politik das zentrale Thema der Kohlekommission. Die damit zusammenhängenden Fragen der Finanzierung und der Maßnahmen waren auch Ursache für die Verzögerung des Abschlusses der Kommission. Die betroffenen Regionen – Rheinisches, Lausitzer und mitteldeutsches Revier – sollen nun entsprechend ihrer Betroffenheit umfangreiche Hilfen erhalten. Der Verteilungsschlüssel ist noch festzulegen.

Bereits jetzt sind im Bundeshaushalt 1,5 Milliarden Euro für diese Legislaturperiode vorgesehen. Das wird ergänzt durch weitere 150 Millionen Euro für ein Sofortprogramm bis 2021.

Empfohlen werden darüber hinaus zusätzliche Maßnahmen und zahlreiche Projekte im Bereich Infrastruktur und Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen/ Hochschulen. Ziel ist die Stärkung der Reviere durch die Schaffung neuer Perspektiven für Unternehmen und gut bezahlte Arbeit.

Die Kommission empfiehlt, in einem Gesetz konkrete Maßnahmen des Bundes bzw. mit Bundesbeteiligung festzuschreiben. Mit diesem Gesetz sollen über 20 Jahre 1,3 Milliarden Euro jährlich an Mitteln für Projekte in die Reviere fließen. Darüber hinaus sollen 0,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich und haushaltsunabhängig über den Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Diese Mittel sind zwischen Bund und Ländern bereits vereinbart. Über einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern sollen die Vorhaben zusätzlich abgesichert werden. Für die Verkehrsinfrastruktur soll ein Sonderfinanzierungsprogramm aufgelegt werden. Bei Förderprogrammen soll grundsätzlich auf Ko-Finanzierungsanteile der Kommunen und Länder verzichtet werden, ggf. sollen diese vom Bund übernommen werden.

Die koordinierende Stelle für die Umsetzung der Maßnahmen soll im Rheinland die schon existierende Zukunftsagentur Rheinisches Revier sein. Für die Lausitz und Mitteldeutschland soll eine neue Einrichtung geschaffen werden.

Die Bundesregierung ist jetzt aufgefordert, die Strukturhilfen nicht ohne klimapolitische Gegenleistung zu zahlen. Bereits im April 2019, so steht es im Kommissionsbericht, sollen die Eckpunkte für das Maßnahmengesetz vorgelegt werden. Das ist sicherlich auch auf die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im Herbst zurückzuführen. Mittel können schon frühzeitig fließen, da gerade in der Lausitz der Strukturwandel Zeit brauchen wird. Aber die Höhe muss auch von echten Klimaschutzbeiträgen abhängen. Geld ohne Gegenleistung darf es nicht geben!

Was bekommen die Beschäftigten?

Auch, wenn der Kohleausstieg insgesamt viel zu langsam erfolgen soll, er bedeutet doch gerade im Rheinischen Revier rasch deutliche Veränderungen mit starken Folgen für die Beschäftigten. Für die in der Kohlewirtschaft Beschäftigten sieht der Bericht der Kommission umfangreiche Maßnahmen vor, die einen sozial verträglichen Kohleausstieg ermöglichen.

Zentral ist dabei das empfohlene Anpassungsgeld für Braunkohle-Beschäftigte analog zu den Regelungen bei der Beendigung des Steinkohlebergbaus. Ab einem Alter von 58 Jahren werden die Bezüge bis zur Rente ausgeglichen. Für die Beschäftigten in den Steinkohlekraftwerken soll es eine ähnliche Regelung geben.

Weitere Maßnahmen und Regelungen sollen wie üblich tarifvertraglich abgesichert werden. Hierzu zählen etwa Vermittlung in qualifizierte Arbeit, Aus- und Weiterbildung, zusätzliche Absicherung durch Übergangsregelungen in die Rente und Ausgleich finanzieller Einbußen.

Die möglichen Entschädigungen an die Betreiber für die Stilllegungen der Kohlekraftwerke sollen deshalb zwingend eine Komponente für den Sozialausgleich beinhalten. Kommt es nicht zu solchen Entschädigungen, müssen andere Lösungen unter Beteiligung der Unternehmen und öffentlichen Haushalte gefunden werden. Auch arbeitsmarktpolitische Instrumente sollen in den Revieren "aktiv und präventiv" zum Einsatz kommen. 

Welche Auswirkungen auf Strompreise und Versorgungssicherheit gibt es?

Da die Abschaltungen der Kohlekraftwerke leider insgesamt sehr moderat ausfallen sollen, wird es keine Probleme bei der Stromversorgung geben. Deutschland hat aktuell insgesamt deutlich zu viele Erzeugungskapazitäten. Das Niveau bei der Kohle sinkt lediglich auf 30 Gigawatt (GW) im Jahr 2022 ab und liegt damit deutlich über dem Niveau, welches selbst ohne weiteres Zutun die Versorgungsicherheit gewährleistet. Bis Mitte der 2020er Jahre wäre ohnehin genug Zeit, um Ersatzkapazitäten oder Äquivalente zu schaffen. Zugleich schlägt die Kommission ein verbessertes Versorgungssicherheitsmonitoring vor. Stilllegungen müssen schon heute durch die Bundesnetzagentur geprüft werden. Die vorgeschlagene Prüfung eines "systematischen Investitionsrahmens", sprich: eines Kapazitätsmechanismus für neue Kraftwerke ab 2023 dürfte daher negativ ausfallen.

Die energieintensive Industrie hat immer wieder steigende Stromkosten durch den Kohleausstieg an die Wand gemalt, um ihre Kompensationsforderungen begründen zu können. Allen seriösen Studien nach wird der Kohleausstieg aber kaum oder keine Auswirkungen auf die Strompreise haben. Dies gilt vor allem dann, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien wie geplant voranschreitet. Denn diese dämpfen den Strompreis. 

Wie steht der BUND zu den vorgesehenen Milliarden für Industrie und Betreiber?

Der Kompromiss war in der Kommission nur mit finanziellen Zugeständnissen sowohl an die Betreiber von Kohlekraftwerken als auch an die Industrie zu erreichen. Ob diese notwendig sind bzw. in welchem Umfang, liegt nun zur Prüfung in den Händen der Bundesregierung und teilweise auch der Beihilfekontrolle durch die EU-Kommission.

Für die Industrie, so empfiehlt der Bericht, soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, einerseits die Strompreiskompensation im europäischen Emissionshandel bis 2030 fortzuschreiben. Zusätzlich soll ein Zuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro zur Senkung der Netzentgelte für private und gewerbliche Verbraucher ab 2023 geprüft werden. Des Weiteren soll die Bundesregierung eine Entlastung von den Großverbrauchern der Industrie prüfen, die keine Netznutzungsentgelte zahlen und entsprechend von deren Senkung nicht profitieren würden. Dabei handelt es sich um diejenigen energieintensiven Unternehmen, die bereits zahlreiche Entlastungen genießen, nämlich die weitergehende Befreiung von den Netzentgelten.

Der BUND war immer der Auffassung, dass die energieintensive Industrie bereits über ungerechtfertigte Privilegien in Energiebereich verfügt, indem sie etwa die EEG-Kosten kaum mitträgt zulasten aller anderen Verbraucher*innen. Die Strompreise werden durch den Kohleausstieg zudem kaum oder gar nicht steigen. Eine entsprechende Kommission soll unter anderem das regelmäßig überprüfen. Steigen die Preise nicht, braucht es auch keine Kompensation.

Die Betreiber der Kraftwerke erhalten Entschädigungen ab 2023, wenn es zu einer einvernehmlichen Regelung mit der Bundesregierung kommt. Zugleich empfiehlt die Kommission, die Entschädigungen degressiv auszugestalten, d.h. je später abgeschaltet wird, desto weniger Geld fließt. Bei noch vergleichsweise neuen Kraftwerken (jünger als 25 Jahre) soll rechtlich abgewogen werden, was an Entschädigungen geboten wäre.

Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Regelung, würden nur rechtlich erforderliche Entschädigungen gezahlt werden. Die Stilllegungen dürften dann weitgehend ohne Entschädigungszahlungen geregelt werden können – wofür sich der BUND immer ausgesprochen hat. Kommt es nicht zu Entschädigungen an die Betreiber, muss aber dennoch sichergestellt sein, dass der Sozialausgleich für die Beschäftigten gewährleistet ist.

Darüber hinaus müssen die Braunkohleunternehmen dauerhaft für die Nachsorge der Tagebaue herangezogen werden. Hier macht die Kommission unzureichende Vorschläge angesichts der hohen finanziellen Risiken die sich aus den Folgen der Tagebaue ergeben.

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Juliane Dickel

Leitung Atom- und Energiepolitik
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