Porträt des Auenprojekts der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz

Im Gespräch mit Stephan Zirpel, Geschäftsführer der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz.

Stephan Zirpel. Foto: Wolfgang Huppertz Stephan Zirpel, Geschäftsführer der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz und engagierter Hobbyornithologe.  (Wolfgang Huppertz)

Für einen Wandel im Umgang mit der Natur

Stephan Zirpel ist seit 2011 Geschäftsführer der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz. Nachdem er über 14 Jahre den NABU-Landesverband Hamburg leitete, suchte der Biologe und Hobbyornithologe eine neue Herausforderung. Er fand sie in der Michael Otto Stiftung, die ihren Sitz zwar in Hamburg hat, aber von der Hansestadt aus national und international in einer breiten Verantwortung und Rolle agiert. Neben der Förderung einzelner parktischer Projekte für den Natur- und Umweltschutz, werden die beiden Stichworte Dialog und Bildung in der Stiftung sehr groß geschrieben. Politische Debatten für strukturelle Veränderungen im Umgang mit Natur und Umwelt anzuregen, ist ein erklärtes Ziel.

Die vor mehr als 20 Jahren gegründete Stiftung verdankt sich dem Engagement ihres Gründers, Dr. Michael Otto. Ihm ging es nicht allein darum, im familiengeführten Handelskonzern der Otto Group den Nachhaltigkeitsgedanken zu verankern, sondern darüber hinaus in die Gesellschaft hinein zu wirken. Als Vorsitzender des Kuratoriums gab und gibt Dr. Michael Otto der Stiftungsarbeit wichtige inhaltliche Impulse, die Stephan Zirpel zusammen mit Vorstand Dr. Johannes Merck und seinen vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Geschäftsstelle in die Praxis umsetzt.

Wasser ist ein großes Thema

Kormorane an der unteren Havel. Foto: Stephan Zirpel Kormorane an der Unteren Havel. Die Michael Otto Stiftung engagiert sich auch an den Nebenflüssen der Elbe.  (Stephan Zirpel)

Angefangen hat alles mit dem Elbe-Dialog Mitte der 90er Jahre. Viele Naturschutz­organisationen hatten sich gegen einen Ausbau der Elbe als Wasserstraße ausgesprochen. Trotz mangelhafter Wasserqualität hatten sich am Fluss einmalige Lebensräume durch die innerdeutsche Grenze erhalten, die durch einen Ausbau Gefahr liefen, Schaden zu nehmen. Es galt, die Forderungen der Naturschützer zu bündeln und in die deutschlandweite politische Debatte einzubringen. Dr. Otto, den Anliegen der Naturschützer zugeneigt, initiierte daraufhin über die Stiftung den Elbedialog an dessen Ende 1996 die sogenannte Elbe-Erklärung stand, in der Naturschutz und die Politik einen Konsens zur naturverträglichen Entwicklung von Elbe formulierten.

2002 fand die Elbe-Erklärung Eingang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Seither begleitet die Stiftung die naturschonende Entwicklung und Gestaltung von Elbe und Havel auch über die Förderung von konkreten Projekten. Unter anderem hat sie sich mit dem Trägerverbund Burg Lenzen e.V. erfolgreich für die Deichrückverlegung bei Lenzen eingesetzt und unterstützt die Renaturierung der Unteren Havelniederung – einen illustren Einblick in das weite Förderspektrum gibt der Internetauftritt der Stiftung.

Der Erfolg für die Elbe bestärkte die Stiftung darin, auch in anderen Zusammenhängen auf den Dialog zu setzen und das konstruktive Gespräch zu fördern. Mit dem Wattenmeer-Dialog, dem Oder-Dialog, dem Berliner Klima-Diskurs oder den Hamburger Gesprächen für Naturschutz haben sich seitdem weitere wichtige Arbeitsfelder eröffnet.

Einen Wandel im Umgang mit der Natur vermitteln

Die Rolle "des Mittlers" für und "Ermöglichers" von nachhaltigen Entwicklungen hat die Stiftung seit Kurzem auch vom Wasser fort auf den Acker geführt. Biodiversität und Landwirtschaft sind die Stichworte eines Dialogs, den die Stiftung in Zukunft stärken will. "Wie kann ich ökologische Vielfalt managen ohne ökonomische Einbußen hinnehmen zu müssen? Das ist die Frage, der wir hier nachgehen wollen", fasst Stephan Zirpel die Aufgabe kurz und knapp zusammen. Der Naturschutz in der Agrarlandschaft stehe am Scheideweg. Es seien neue und für beide Seiten gangbare Wege zu finden, um Landwirtschaft und Naturschutz aus ihrer Konfrontation zu lösen.

Angeregt von der "Hope Farm" in England, die Landwirtschaft und Vogelschutz erfolgreich verbindet, sollen  in Deutschland rund zehn Farmen, oder besser, zehn konventionelle landwirtschaftliche Betriebe entstehen, die praktisch erproben sollen, gleichzeitig die Artenvielfalt zu steigern und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Über diese Dialogarbeit verliert die Stiftung Bildung als ein grundlegendes Aktionsfeld nicht aus den Augen. Das passiert beispielsweise im Rahmen des eigens initiierten und entwickelten Bildungsangebots "AQUA-AGENTEN", ein mit Kooperationspartnern durchgeführtes Programm nach den Grundsätzen einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Das mehrfach ausgezeichnete Programm führt Hamburger Grundschüler in die Welt des Wassers und die Herausforderungen im Umgang mit diesem Lebenselement ein. Ein weiterer wichtiger Baustein in der Bildungsarbeit der Stiftung waren und sind die beispielhafte Einrichtung von Stiftungsprofessuren und Promotionsstipendien. Diese zwei Beispiele zeigen: Der Wandel im Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen ist der übergreifende Prozess, den die Michael Otto Stiftung fördert, und dieser Wandel ist auf breites Wissen und dessen Vermittlung angewiesen.

Die Elbe – ein Schwerpunkt der Stiftungsarbeit

Elbimpression. Foto: Lars Fischer Eine Impression von der Elbe, die es naturverträglich zu entwickeln und zu gestalten gilt.  (Lars Fischer)

So breit die Stiftung auch agiert, die Elbe bleibt ein Schwerpunkt ihres Engagements, daran lässt der Geschäftsführer keinen Zweifel. Die Förderung  des Projektes "Auenentwicklung und der Auenverbund an der Unteren Mittelelbe" ist dafür ein Beleg.

Die Elbe ist nicht allein eine ökologische Lebensader, aus der Sicht der Stiftung ist der Fluss eine "Perlenkette" wertvollster Lebensräume. Diesen Fluss und das Leben an ihm gestalten zu helfen, das Gespräch über seine Entwicklung zu fördern und zu zeigen, was an der Elbe im Sinne nachhaltiger Entwicklung möglich ist, das sind für Zirpel und seine Mitarbeiter – aber vor allem auch für das Kuratorium der Stiftung interessante wie dringend notwendige Aufgaben, die ohne Dialoge im großen wie im kleinen nicht zu bewältigen sind. Stephan Zirpel verweist als ein Beispiel auf das Spannungsfeld zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz entlang der Elbe. "Ohne eine gemeinsame Sprachfähigkeit wird man hier nicht zu tragfähigen Lösungen kommen."  Auch die naturnahe Entwicklung von Auen und deren Verbund entlang des Flusses, wird auf konstruktive Dialoge mit den Landnutzern und Landeigentümern nicht verzichten können.

Vom Wert der Auen

Vor diesem Hintergrund war es für die Michael Otto Stiftung selbstverständlich, nach der erfolgreichen Deichrückverlegung bei Lenzen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Trägerverbund Burg Lenzen e.V. zu prüfen. Mit der Auenwerkstatt Hohe Garbe habe eine Herangehensweise vorgelegen, die Landnutzer, Anwohner und andere Beteiligte in die Entwicklung dieses Auwaldes bei Wanzer und Schnackenburg einzubeziehen, die das Kuratorium der Stiftung überzeugt hat: innovativ, für den Naturschutz relevant und von überregionaler Bedeutung.

Die Aue ist für Zirpel ein Lebensraum, der in die Mitte von Europa gehört. "Einst war er hier typisch, heute ist er kaum noch vorhanden. Das muss sich wieder entwickeln können, egal wie das später mal aussieht. Man könne viel planen, aber was letztlich wirklich entstehe, ist abhängig von der Dynamik, die der Fluss entfalten kann."

Leider komme er selbst viel zu selten dazu, vor Ort Einblicke in die Förderprojekte zu gewinnen, so Zirpel, der auch als Ornithologe gern öfter in den Elbauen unterwegs wäre. Als Kind habe er seine Wochenenden oft an der Oberelbe in einem Haus am Walmsburger Werder im Auenbereich der Elbe verbracht. Die faszinierende Kombination aus Fluss und Wald habe ihn ebenso geprägt wie die Hochwasserdynamik. "Vor allem im Winter, wenn das Eis zum Schlittschuhlaufen einlädt oder die aus Eischollen zusammengeschobenen Eisberge zum Klettern – diese Dynamik zu erleben, ist etwas ganz besonderes." Die Naturerlebnisräume von heute seien damit nicht vergleichbar. Vor allem in der Nähe von Ballungsräumen habe der Druck auf die naturnahen Bereiche der Landschaft enorm zugenommen, was eine stärkere Reglementierung auch der Freizeitnutzung nach sich zog. "Das einfache Durch-die-Wiesen-Streifen fehlt den Kindern. Die großen Naturräume fehlen!"  Im Vitikow bei Bleckede, einem der wenige Auwaldreste an der Elbe, ist Stephan Zirpel als Junge gern gewesen und konnte einen enger Kontakt zur Natur aufbauen, was sicher dazu beigetragen hat, dass er Biologie studierte und Hobbyornithologe geworden ist. "Das wäre heute so nicht mehr möglich, weil dieser Wald konsequenter Weise als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde."

Vor diesem Hintergrund spielten gerade die praktischen Projekte im Rahmen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung eine wichtige Rolle, da sie Kindern oft den einzigen Zugang zur Natur eröffnen. Das Auenerlebniszentrum an der Burg Lenzen sei hier ein sehr guter Baustein.

Ein Wunsch

Es wäre aus Sicht der Stiftung viel für das Leben an der Elbe gewonnen, wenn das Projekt "Lebendige Auen für die Elbe" erfolgreich ist und es im konstruktiven Dialog gelingt, die natürliche Dynamik des Flusses so umfassend als möglich die Entwicklung des Auwaldes der Hohen Garbe bestimmen zu lassen – und ihm auf lange Sicht wieder zu natürlichem Glanz zu verhelfen. Diese Ausstrahlung käme der gesamten Unteren Mittelelbe zu Gute und der Region. Der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz ist nicht daran gelegen, berechtigte Interessen von Landeigentümern und Landnutzern in irgendeiner Weise abzukanzeln. Es müsse darum gehen, betont Stephan Zirpel, Ergebnisse zu erzielen, die lange halten. Und das gelinge nur, wenn der gesamte Arbeitsprozess partnerschaftlich funktioniert.

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Schwarzstorch; Foto: D. Damschen Zur Auentour-App

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