
Die Europäische Union (EU) hat seit ihrer Gründung viel erreicht. Doch lange schon sind große Visionen den kleinen politischen Schritten gewichen. Die EU braucht endlich drastische Weichenstellungen und muss konsequent Mensch und Natur in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Auch nach dem Brexit-Votum und ungeachtet der europafeindlichen Stimmen ist für den BUND immer noch klar: Das Projekt eines vereinigten Europas ist ein gutes Projekt! Es ist heute notwendiger denn je.
Nur gemeinsam können die immensen Herausforderungen gelöst werden, vor denen wir als Menschen, egal welchen Hintergrunds, stehen. Wir wollen aus diesem Kontinent eine natur- und menschenfreundliche Wertegemeinschaft werden lassen. Ein Europa der Bürger*innen! Dazu bedarf es einen grundlegenden Wandel in der bisherigen Wirtschaftsweise und eine ambitioniertere Umweltpolitik.
Bei der Europawahl 2019 entscheidet sich, wer diese Europäische Union formen wird. Damit nationalistische Strömungen und rechte Hetze nicht das Sagen bekommen, müssen sich viele Menschen an der Wahl beteiligen und den Parteien ihre Stimme geben, die eine starke, einige, sozial- und umweltgerechte EU wollen.
Der BUND appelliert an alle europäischen Parteien, folgende Eckpunkte für eine sozial-ökologische Transformation in der kommenden Legislaturperiode anzugehen:
Gestalten Sie eine lebendige Demokratie der Bürger*innen
- Werden Sie endlich tätig! Schreiben Sie eine ambitionierte europäische Nachhaltigkeitsstrategie zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele, die die Mitgliedstaaten anmahnt und sie darin unterstützt, Prozesse eines gesellschaftlichen Umbaus zu gestalten.
- Setzen Sie sich ein für eine Vertiefung der europäischen Integration, denn sie ist auch eine Kernvoraussetzung einer wirksamen Bekämpfung der heutigen grenzüberschreitenden Umweltprobleme.
- Bekräftigen Sie die Forderung des 8. Europäischen Parlaments, dass sich der Finanzrahmen der EU klar an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientieren muss – schließlich ist das Budget ein Mittel, um Politik zu gestalten.
- Setzen Sie sich für eine demokratische EU mit wirklich transparenten Entscheidungsprozessen ein. Lobbyismus muss auch über ein verbindliches Register hinaus nachvollziehbar gemacht und reguliert werden.
- Unterstützen Sie eine partizipative EU, die im Umweltbereich die Vorgaben der Aarhus-Konvention zur frühzeitigen Bürger- und Verbandsbeteiligung vollständig umsetzt. Dies führt zu besseren Entscheidungen und zur Vermeidung von Planungskonflikten.
- Sorgen Sie dafür, dass das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Verbraucher*innen und Umwelt als europäische Errungenschaft weiterhin Bestand hat und nicht für kurzfristige wirtschaftliche Interessen in Frage gestellt wird.
- Setzen Sie sich für einen verbindlichen Jugendcheck auf europäischer Ebene ein, um jugendgerechte, ressortübergreifende Politik in Europa zu stärken.
- Wir wollen eine EU, die Minderheiten schützt und offene Grenzen garantiert.

Für eine nachhaltige Agrarwende, naturnahe Waldwirtschaft und eine Offensive im Natur- und Artenschutz
- Unterstützen Sie bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik das Prinzip "Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen". Die pauschalen Flächenprämien sind schrittweise abzuschaffen. Fördermittel darf es nur noch für den Aufbau eines zukunftsfähigen Systems mit konkreten ökologischen Mindeststandards für definierte Leistungen in den Bereichen, Umwelt, Klima, Bildung, Natur- und Artenschutz und Tierwohl sowie zum Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft geben. Halten sie nach, dass Landwirtschaft den gesetzlichen Pflichten bei Luftreinhaltungs- und Klimagesetzgebung nachkommt.
- Widersetzen Sie sich jedem Versuch, das geltende EU-Umweltrecht aufzuweichen oder zu verwässern. Setzen Sie sich beim Fitness-Check der Wasserrahmenrichtlinie dafür ein, dass die Richtlinie und ihre Tochter-Richtlinien nicht geöffnet oder aufgeweicht werden. Fordern Sie stattdessen, dass die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie durch weiterführende, konkrete Maßnahmen Richtlinien konform umgesetzt werden.
- Sorgen Sie dafür, dass die Menge an Pestiziden auf europäischen Äckern drastisch sinkt und besonders gefährliche Pestizide keine Zulassung mehr erhalten. Eine Reform des Zulassungssystems für Pestizide ist überfällig.
- Sorgen Sie dafür, dass Europa auch weiterhin gentechnikfrei bleibt. Auch die sogenannten neuen Gentechniken sind Gentechniken und fallen damit unter das EU-Gentechnikrecht, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt hat. Aufweichungen der EU-Freisetzungsrichtlinie sind im Sinne von Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit für Verbraucher*innen und Landwirt*innen konsequent abzulehnen. (Die Positionen der Parteien zur neuen Gentechnik finden Sie hier.)
- Setzen Sie sich für deutlich höhere, ausreichende Mittel in einem zweckgebundenen EU-Naturschutzfonds im mehrjährigen Finanzrahmen ein. Dieser soll der Natura-2000-Finanzierung und der Förderung von weiteren Biodiversitätsmaßnahmen dienen, die insbesondere von Landnutzer*innen, aber auch den Naturschutzverbänden geleistet werden. Stärken Sie außerdem das LIFE-Programm nach 2020 als zielgerichtetes Förderinstrument, um innovative und experimentelle Projekte zum Schutz der Biodiversität, wie das Grüne Band Europa, zu unterstützen.
- Setzen Sie sich für eine europäische Regelung zum Schutz des Bodens ein, wie er für die Luft und das Wasser besteht. Erosion, Humusverlust, Bodenverdichtung und Bodenversiegelung sind europaweite Probleme und müssen europaweit gelöst werden.
- Setzen Sie sich für eine am Gemeinwohl orientierte naturnahe Waldwirtschaft ein und entwickeln Sie Programme gegen die klimabedingte Waldkatastrophe.

Für eine nachhaltige Energiewende und die Umsetzung der Klimaziele von Paris
- Setzen Sie sich dafür ein, das schwache europäische Emissionsreduktionsziel für 2030 auf mindestens 55 Prozent zu verschärfen, damit die EU ihren fairen Beitrag zu einem 1,5 Grad-Limit leisten kann.
- Der tiefgreifende Strukturwandel von einer von fossilen Energieträgern abhängigen Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft muss struktur- und sozialpolitisch abgefedert werden. Bei der dringend erforderlichen Stilllegung von Kohlekraftwerken dürfen die Menschen in den Kohlerevieren nicht abgehängt werden. Sorgen Sie für eine Unterstützung der sich im Transformationsprozess befindlichen Regionen.
- Der Euratom-Vertrag muss reformiert werden: Es darf keine Förderung mehr für Atomkraft oder Subventionen für Neuanlagen geben. Es braucht eine europaweite volle Haftungsregel und strenge Strahlenschutzregeln für AKW. Dieser sowie das nachgeordnete EU-Recht zur Atomsicherheit und das EU-Beihilferecht sind so zu ändern, dass insbesondere der zunehmenden Gefahr durch die Laufzeitverlängerungen alter grenznaher Atomkraftwerke Rechnung getragen wird.
- Unterstützen Sie Energiesparen sowie die Steigerung der Energieeffizienz um 40 Prozent und den Ausbau von erneuerbaren Energien auf einen Mindestanteil von 45 Prozent am Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2030. Legen Sie eine europaweite Werbekampagne zum Energiesparen und für erneuerbare Energien auf.
- Die tragenden Säulen der künftigen Energieversorgung sind Sonnen- und Windenergie. Sorgen Sie für einen schnellen, naturverträglichen und nachhaltigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Schaffen Sie Anreize für eine dezentrale, von EU-Bürgerinnen und Bürgern getragene Energiegewinnung, die gänzlich auf erneuerbaren Energiequellen basiert.
- Setzen Sie sich für eine umwelt- und gesundheitsverträgliche Mobilität im Personen- und Güterverkehr und lebenswerte Städte ein. Sorgen Sie für eine kontinuierliche Verschärfung der europäischen CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Basis der realen Emissionen. Emissionsfreie Mobilität und ihre Verschränkung mit der Energiewende muss durch gezielte Anreize für die Verkehrswende gefördert werden.
- Der Flugverkehr ist der klimaschädlichste Verkehrsträger und wächst nach wie vor weiter an. Durch die bisherige Steuerbefreiung erhält der Flugverkehr einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn. Setzen Sie sich für die Einführung einer EU-weiten Kerosinsteuer ein. Setzen Sie sich ferner für die Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung im grenzüberschreitenden Personenluftverkehr ein.

Für eine konsequente europäische Luftreinhaltepolitik
- Setzen Sie sich für eine konsequente Reduktion von schädlichen Emissionen und für die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub aus dem Verkehrssektor ein.
- Sorgen Sie auch für eine wirksame Begrenzung der gesundheitsschädlichen Emissionen der Schifffahrt. Wegen der Lebensdauer der Schiffsmotoren von bis zu 50 Jahren, muss der Geltungsbereich der Emissionsgrenzwerte auf die bestehenden Schiffe und Schiffsmotoren ausgedehnt und gleichzeitig finanzielle Unterstützung für die Umrüstung von Schiffen zur Verfügung gestellt werden.

Für eine sozial-ökologische Wirtschaftspolitik
- Sorgen Sie für eine absolute Reduktion des Rohstoffverbrauchs in der EU. Dies kann nur mit einer konsequente Suffizienzpolitik erreicht werden.
- Setzen Sie sich für den Abbau von umweltschädlichen Subventionen ein und nutzen Sie Fördergelder, um ökologische Erzeugnisse auch für die Breite der Gesellschaft finanzierbar zu machen und fördern sie dadurch einen ökologisch-sozialen Umbau der Gesellschaft.
- Setzen Sie sich für eine ressourcenschonende Digitalisierung und einen Ausbau der Datenschutzvorkehrungen ein.
- Setzen Sie sich für eine nachhaltige europäische Forschungspolitik ein, die soziale Innovationen erforscht und neue umweltverträgliche Zukunftstechnologien befördert. Technische Innovation muss nach dem Vorsorgeprinzip und den Kriterien einer nachhaltigen Gesellschaft bewertet werden.
- Gestalten Sie die europäischen Forschungsrahmenprogramme so, dass sie die sozial-ökologische Transformation voranstreiben. Stellen Sie die gesellschaftlichen Herausforderungen in den Mittelpunkt der europäischen Forschungspolitik.
- Stellen Sie die Gesundheit der Menschen in der EU in den Mittelpunkt der Überarbeitung der Chemikaliengesetzgebung. Setzen Sie sich ein für eine effektive Umsetzung der Chemikalienverordnung REACH im Sinne der Nachhaltigkeitsziele 2020. Besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) müssen nach dem Vorsorgeprinzip reguliert und durch sichere Alternativen ersetzt, das in REACH garantierte Verbraucherauskunftsrecht entsprechend gestärkt werden.
- Unterstützen Sie eine strikt am Vorsorgeprinzip ausgerichtete Regulierung von hormonschädlichen Stoffen (endokrine Disruptoren, ED) in verbrauchernahen Produkten. Setzen Sie sich für die Ausweitung des französischen Verbotes von Bisphenol A (BPA) in Lebensmittelverpackungen auf die gesamte EU ein.
- Machen Sie sich dafür stark, dass die EU eine Handelspolitik verfolgt, die durch transparente Entscheidungsprozesse gekennzeichnet ist und die Ziele einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung nicht konterkariert.