Am 24. Februar 2022 hat Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Seitdem sind Tausende Menschen ums Leben gekommen, Millionen sind auf der Flucht.
Der BUND verurteilt Putins Einmarsch in die Ukraine aufs Schärfste. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten all jenen, die unter der russischen Aggression leiden.
Die Auswirkungen des Kriegs sind mittlerweile global zu spüren. In Europa wächst die Sorge vor der Ausweitung des Konflikts. Zudem bekommen wir unsere Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu spüren. Auch Güter aus der Ukraine, etwa Getreide, werden weltweit knapper. Die Engpässe zeigen, dass Deutschland es in der Vergangenheit versäumt hat, ein nachhaltiges und souveränes Ernährungssystem und einen nachhaltigen Umgang mit Energiequellen zu etablieren.
Der BUND appelliert eindringlich an die Politik, jetzt die Weichen für eine krisenfeste, ökologische Landwirtschaft und einen nachhaltigen Umgang mit Energie zu stellen. Anhand konkreter Sofortmaßnahmen zeigen wir, wie eine solche Transformation kurzfristig gelingen kann.
Welche Sektoren sind betroffen?
Maßnahmen mit direkter Wirkung
- Tempolimit 100 auf allen deutschen Autobahnen, Tempo 80 auf allen Landstraßen, Tempo 30 innerhalb von Ortschaften
- Sofortige Einstellung aller Kurzstreckenflüge
- Ein autofreier Sonntag im Monat
Mittelfristige Maßnahmen bis zum Winter 2022/23
- Flächendeckendes 365-Euro-Ticket für den ÖPNV
- Günstige Jahrestickets für den Fernverkehr der Deutschen Bahn
- Pendelzulage statt Entfernungspauschale
Langfristige Maßnahmen
- Ausbau des öffentlichen Verkehrs
- Weniger Autos
- Lkw-Transport auf die Schiene verlagern
Maßnahmen mit direkter Wirkung
- Sofortige Investition in das World Food Programme, um humanitäre Krisen und Hunger zu verhindern
- Einsatz von Stickstoffdünger um 20 Prozent verringern und mit energieeffizienterem organischen Dünger ersetzen
Mittelfristige Maßnahmen bis zum Winter 2022/23
- Agrokraftstoffe vorübergehend aussetzen
- Weniger Fleisch, Milchprodukte und Eier durch Änderung des Beschaffungsrechts
- Tierbestände verkleinern und Landwirt*innen finanziell entschädigen
Langfristige Maßnahmen
- Ausbau einer für Mensch, Umwelt und Natur verträglichen nachhaltigen Landwirtschaft und Agrarpolitik
Maßnahmen mit direkter Wirkung
- Finanzielle Förderung, um bestehende Heizungsanlagen zu optimieren bzw. durch energiesparende Alternativen zu ersetzen (z.B. Wärmepumpen)
- In allen öffentlichen Gebäuden die Temperatur auf 19 Grad absenken
- Förderstopp für den Einbau von Gasheizungen
- Finanziellen Bonus für die Modernisierung besonders energieineffizienter Gebäude
Mittelfristige Maßnahmen bis zum Winter 2022/23
- Nationale Mindesteffizienzstandards für Gebäude
- Mindestens 25 Milliarden Euro Investitionen für die energetische Modernisierung von Gebäuden
- Reform des Gebäude-Energie-Gesetzes, Schlupflöcher stopfen
Langfristige Maßnahmen
- Deutlichere Steigerung der Modernisierungsrate
- Optimierte Nutzung von Bestandsgebäuden statt Neubau
Maßnahmen mit direkter Wirkung
- Bereits erkannte Einsparpotentiale bei Unternehmen müssen jetzt umgehend genutzt werden. Das heißt, die Regierung muss Unternehmen verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um Energie zu sparen. Diese Maßnahmen wurden bereits in sogenannten Energieaudits bei Unternehmen herausgearbeitet.
Mittelfristige Maßnahmen bis zum Winter 2022/23
- Alle öffentlichen Gebäude und Unternehmen mit einem jährlichen Energieverbrauch von mindestens 100.000 Kilowattstunden (kWh) müssen verpflichtend auf Einsparpotentiale untersucht werden
Langfristige Maßnahmen
- Langfristig brauchen wir ein Ressourcenschutzgesetz. In einer Welt mit endlichen Ressourcen müssen wir den Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft vollziehen.
Maßnahmen mit direkter Wirkung
- Die Bürger*innen müssen schnellstmöglich erreicht und aufgeklärt werden. Hierbei können kostenlose Energiesparberatungen, Sanierungsfahrpläne und weitere unbürokratische Unterstützung lokaler Akteure helfen.
- Die Verwaltung von Bund und Ländern muss umgehend klimaneutral werden. Das heißt, Bund und Länder müssen ihre Ausgaben konsequent an Nachhaltigkeitsrichtlinien ausrichten. Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen.
Mittelfristige Maßnahmen bis zum Winter 2022/23
- Nur planvolles und strukturiertes Vorgehen führt zum Ziel: Wir brauchen daher verbindliche Energiesparziele als Grundpfeiler der Energiepolitik.
Langfristige Maßnahmen
- Planung und Ausbau von Strukturen für die Nutzung von grünem Wasserstoff
- Ausstieg aus fossilem Gas bis spätestens 2040
- Abbau sämtlicher umweltschädlicher Subventionen
Häufige Fragen zum Krieg in der Ukraine
Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine steht die Energiepolitik Deutschlands auf dem Prüfstand. Deutschland ist in hohem Maße abhängig von Energieimporten: Rund 77 Prozent seines gesamten Energieaufkommens und sogar 98 Prozent des Mineralöls und 94 Prozent des Erdgases kommen aus dem Ausland (Zahlen nach UBA 2021). Gas wird sowohl zum Heizen und zur Stromerzeugung als auch in der Industrie gebraucht. In Gebäuden wird rund die Hälfte des Erdgases verbraucht – um Räume zu heizen und warmes Wasser bereitzustellen. Fast jeder zweite Haushalt heizt mit Erdgas. Bei neu installierten Heizungen beträgt die Quote sogar 70 Prozent.
Die Industrie – vor allem die chemische Industrie und Stahlhersteller – braucht Erdgas für bestimmte Prozesse. Auch für Düngemittel und Plastik werden Gas und Öl verbraucht. In der Industrie wird gut ein Drittel des Energiebedarfs mit Erdgas gedeckt. Erdgas wird dabei zu fast 90 Prozent für die Erzeugung von Prozesswärme genutzt. Bei der Stromerzeugung ist der Erdgasanteil gering (16 Prozent). Er soll aber kurzfristig Atom und Kohle ersetzen. Deutschland erzeugte 2019 etwa 38 Prozent seiner Energie aus Mineralöl, der größte Teil wurde mit 75 Prozent im Verkehr verbraucht.
Der Krieg hat Folgen für die Agrarpolitik. Die Ukraine galt vor dem Krieg als Kornkammer der Welt. Das Land deckte mehr als zehn Prozent des Weizenbedarfs auf dem Weltmarkt. Die Folgen des Ausfalls als Weizen-Exporteur sind in der EU voraussichtlich überschaubar. Sie importiert nur geringe Mengen aus der Ukraine. Sorge bereiten jedoch mögliche Folgen in Ländern, die schon seit Jahrzehnten auf massive Nahrungsmittelimporte aus der Ukraine und aus Russland angewiesen sind. Die Ausfälle treffen insbesondere Länder in Nord- und Ostafrika und auch die drastischen Preisanstiege haben schlimme Auswirkungen auf die Nahrungsmittelsituation in vielen Ländern. Direktere Folgen für die EU wird das Fehlen von Futtermitteln haben. Auch das russische Exportverbot für Ammoniumnitrat, ein Bestandteil von Stickstoffdünger, und die hohe Abhängigkeit von russischem Phosphatdüngern bereitet wegen ihrer Rolle in der konventionellen Landwirtschaft Sorge. Reflexartig wird nun angenommen, dass die EU und Deutschland die Ausfälle beider Länder durch eine Intensivierung der Landwirtschaft ausgleichen müssten, um globale Ernährungssicherung zu erreichen.
Der Umbau der Landwirtschaft ist eine Investition in die Zukunft. Nur eine Ökologisierung und ein Umbau schaffen eine widerstandsfähige Landwirtschaft und ein widerstandsfähiges Agrarsystem mit regionalen Lieferketten, das mit Krisen umgehen kann und weniger störungsanfällig ist. Die zwar geringen Verbesserungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 und die strategischen Ziele, die sich aus der Farm-to-Fork- und der EU-Biodiversitätsstrategie ergeben, müssen bewahrt werden. Sie sind Zukunftsinvestitionen in ein friedliches Europa.
Der Krieg zeigt in besonderem Maße, wie instabil unser Agrarsystem ist. Unsere Landwirtschaft ist in großem Maße abhängig vom Import von Energie und Ressourcen. Das gilt vor allem für Grundstoffe für Dünger bzw. Energie zur Herstellung von Dünger sowie für Futtermittel (insbesondere Eiweißfutter). Ein umweltgerechter und konsequenter Umbau würden uns unabhängiger machen; beides hilft, unsere Lebens- und Produktionsgrundlage für kommende Generationen zu sichern.
Schnell wurde nach Kriegsbeginn gefordert, die zarten Ansätze einer ökologischen europäischen Agrarpolitik wieder rückgängig zu machen: stillgelegte Flächen sollen wieder bewirtschaftet, Pläne zur Pestizidreduktion eingestampft und die Bindung von GAP-Mitteln an ökologische Maßnahmen soll aufgehoben werden. Das ist nicht sinnvoll. Ein Beispiel: Werden die insgesamt bis zu vier Prozent sogenannte nicht-produktive Ackerflächen wieder genutzt, führt das nicht zu vier Prozent mehr Ertrag. Denn dafür werden oft besonders unproduktive oder weit von der Hofstelle gelegene Standorte ausgewählt, die trotz Mehraufwand insgesamt weniger ertragreich sind. Geringe Mehrerträge haben dabei kaum Einfluss auf die weltweite Verfügbarkeit von Getreide. Die erneute Nutzung hat aber massive negative Konsequenzen für die Biodiversität auf diesen Flächen. Außerdem bedeutet eine Intensivierung auch, dass wir von Energie und (Dünge-)Rohstoffen abhängig bleiben. Unsere Landwirtschaft und Ernährung werden also nicht widerstandsfähiger – im Gegenteil. Auch Gentechnik-Pflanzen verschärfen die Abhängigkeiten: Einerseits sind sie meist durch Patente geschützt, müssen also immer wieder neu nachgekauft werden, andererseits sind sie oft "Hoch-Input-Pflanzen".
Schon jetzt sind diese Auswirkungen vor allem in den großen Importländern spürbar, weil Lagerbestände nicht mehr ausgeliefert werden können. Wenn in den nächsten Wochen keine Aussaat erfolgen kann, wird sich diese Situation Ende des Jahres und nächstes Jahr verschärfen. Das betrifft vor allem die Länder Nord- und Ostafrikas, die Türkei, sowie asiatische Länder, die auf die Importe zur Versorgung ihrer Bevölkerung angewiesen sind. Deshalb ist es kurzfristig wichtig, Länder in denen Hunger herrscht, durch schnelle Hilfe z.B. durch das World Food Programme zu unterstützen. Grundsätzlich gilt aber weiterhin: Hunger ist vor allem ein strukturelles und ein Verteilungsproblem (Armut, Verteilung, fehlender Zugang zu Land, fehlende Ressourcen und Ausbildung, fehlende Möglichkeit des eigenen Nachbaus von Saatgut usw.). Die massiven Auswirkungen der wegbrechenden Exporte nach Nord- und Ostafrika zeigen erneut, wie wichtig es ist, dass Länder unabhängiger und in die Lage versetzt werden, sich selbst zu versorgen.
Die Versorgung in Deutschland und der EU ist durch den Krieg und die drohenden Ernteausfälle nicht bedroht. (BMEL, 3.3.2022) Die EU und Deutschland haben bei den wichtigsten Getreiden einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent. Die Versorgung innerhalb der EU ist daher nicht gefährdet. Allerdings können Lieferketten unter Druck geraten, weil Getreide nicht mehr geliefert werden kann. Es könnte zu Preissteigerungen kommen. Eventuelle Knappheit betreffen allerdings eher den Futtermittelbereich. So hat die EU in den vergangenen Jahren auch direkt aus der Ukraine Sonnenblumen und Raps als Eiweißfuttermittel eingeführt. In der Konsequenz würden tierische Lebensmittel teurer. Preise steigen auf dem Weltmarkt allerdings gerade nicht nur wegen drohender Verknappung, sondern auch auf Grund von Spekulation. Das ließe sich zum Teil abfedern, wenn Beimischungen in Diesel und Benzin verboten würden. Denn in Deutschland werden mehr als 3,4 Millionen Getreide und Ölpflanzen zu Agrokraftstoff verarbeitet. Für die Herstellung von Agroethanol kommt dabei auch bisher in hohem Anteil ukrainisches Getreide zum Einsatz.
Zahlreiche Arten bilden die Grundlage für unsere Ernährung, die Gesundheit von Menschen, den Erhalt von frischer Luft und sauberem Wasser und für viele Rohstoffe. Die Krise des Artensterbens hält nicht nur an, sondern wird durch Krieg schlimmer. Um also eine lebenswerte Zukunft zu sichern, braucht es Naturschutz mehr denn je: den Erhalt von Bestäubern für Früchte und Samen, den Schutz von Lebensräumen zahlreicher Nützlinge – dem „Immunsystems“ unserer Land- und Forstwirtschaft –, den Schutz der Fruchtbarkeit des Bodens, gesundes Wasser und saubere Luft. Der Erhalt der Natur ist nie Luxus, sondern überlebenswichtig.
Der Anteil russischer Importe an den Rohöl-Einfuhren nach Deutschland liegt bei rund 35 Prozent. Erdöl ist dabei nicht nur Energiequelle, sondern auch Grundstoff für die Produktion von Chemikalien und Plastik. Russlands Anteil an den fossilen Gasimporten nach Deutschland liegt bei rund 55 Prozent. Zusammen machen Erdöl und Erdgas in 2021 knapp 60 Prozent aller Importe aus Russland aus. Bei Kohle liegt der Anteil Russlands an den Importen bei 50 Prozent. Kurzfristig wurde durch wirtschaftliche und politische Sanktionen Druck auf Russland ausgeübt – etwa durch die temporäre Stilllegung von Pipeline Nordstream 2. Durch die Nutzung der Energie in Industrie und privaten Haushalten finanzieren wir über Energieimporte den Krieg gegen die Ukraine mit. Das wäre vermeidbar gewesen. Doch durch politische Vorgaben und Blockaden beim Ausbau der erneuerbaren Energien seit 2012 und die Ignoranz gegenüber der Notwendigkeit, den Verbrauch von Gas, Öl und Kohle zu verringern, konnten fossile und atomare Energien zu strategischen Kriegsmitteln werden.
Nicht nur Erdöl und Erdgas kommen aus Russland. Das Land ist auch eines der rohstoffreichsten Länder der Welt. Nickel- und Eisenprodukte, Palladium, Kupfer und Aluminium bezieht Deutschland zu 15 bis 40 Prozent aus Russland. Palladium gehört in Deutschland und der EU zu den kritischen Rohstoffen, d.h. die Verfügbarkeit nimmt ab, während die Nachfrage rasant steigt. Russland ist neben Südafrika der größte Palladium-Produzent weltweit. 80 Prozent des Metalls gehen dabei in die Automobilindustrie (Katalysatoren). Auch Nickel kommt zu großen Teilen aus Russland. Nickel ist vor allem für die Energiewende ein gefragter Rohstoff. Er wird u.a. für Batterien in E-Autos eingesetzt. Metallische Rohstoffe stehen übrigens nicht auf der Sanktionsliste der EU - aus Angst vor steigenden Rohstoffpreisen, Lieferengpässen und Produktionsstopps. Russland verdient hier also weiter.
Insbesondere der Ersatz von leitungsgebundenen Gaslieferungen ist kurzfristig nicht vollständig machbar. Sollte es zu Versorgungsengpässen kommen, muss auch die Industrie Abstriche machen. Die Versorgung von Haushalten muss Priorität haben. Innerhalb des fossilen Energiesystems gibt es nur schlechte (z.B. Erdgas durch Öl oder Kohle ersetzen) und sehr schlechte Alternativen (z.B. Fracking-Gas, Flüssiggas-Importe (LNG) von anderen autoritären Regimen). Die Bundesregierung muss deshalb nun alles für den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien in Bewegung setzen. Es gilt, in allen Sektoren Energie und Rohstoffe zu sparen. Dafür sind kurzfristige Maßnahmen ebenso wichtig wie Weichenstellungen für mittel- und langfristige Effekte.
Es muss endlich darüber gesprochen werden, welche Produkte wir in Zukunft noch in welchen Mengen produzieren wollen und können. Eine Verringerung von kurzlebigen Gütern wie Verpackungen (z.B. Einwegplastik) kann zu Einsparungen von Öl und Gas beitragen. Deutschland und Europa müssen zudem jetzt die Weichen für eine nachhaltige Wasserstoffnutzung stellen. Dazu gehören die Planung einer ausreichenden Import- und Transportinfrastruktur für grünen Wasserstoff und die Umsetzung ambitionierter Nachhaltigkeitskriterien. Diese sollten auch Anforderungen an den Schutz der Menschenrechte und gute Regierungsführung erhalten. Insgesamt muss unsere Energieimportabhängigkeit durch die Energiewende aber sinken.
Die Bundesregierung hat den Bau von zwei umstrittenen LNG-Terminals für den Import von flüssigem Erdgas angekündigt. Der BUND lehnt diese Pläne entschieden ab. Der Verband unterstützt Bemühungen, sie gegebenenfalls juristisch zu stoppen. Denn die gewünschte Diversifizierung des Erdgasangebotes wird so nicht kurzfristig erreichbar. Nach Angaben der Betreiber ist der neue Terminal in Stade “frühestens 2026” betriebsbereit. Auch schwimmende Terminals stehen nicht unmittelbar zur Verfügung. Denn für ihre Landverbindung sind umfangreiche Hafenumbauten nötig.
Investitionen in LNG sind nicht zukunftsträchtig. Es fehlt an validen und sinnvoll finanzierbaren Konzepten für ihre Umstellung auf Wasserstoff. Sie werden deshalb schon kurz nach der Fertigstellung wahrscheinlich überholt sein, für eine klimaneutrale Importinfrastruktur größtenteils abgerissen und neu gebaut werden müssen. Die Gas-Terminals sind keine kurzfristige Lösung für die Energieversorgung Deutschlands. Lieferungen über bestehende Terminals im europäischen Ausland können aber kurzfristig Teil einer Angebotsdiversifizierung sein.
Kurzfristig wird sich der Anteil der erneuerbaren Energien nicht deutlich erhöhen lassen. Die dringend notwendigen Baumaßnahmen von Solar- und Windenergieanlagen brauchen Zeit. Auch naturverträglich beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren sind nicht sofort wirksam. Die Bundesregierung muss daher noch konsequenter daran arbeiten, möglichst schnell und naturverträglich eine zu 100 Prozent auf Erneuerbaren basierende Energieversorgerung zu erreichen. Dazu muss die EEG-Novelle genutzt warden. Es gilt, die die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Insbesondere das Potenzial von Bürger*innenenergie muss voll ausgeschöpft werden. Die Umsetzung der EU-Vorgaben dazu ist immer noch eine Leerstelle. Es müssen jetzt die Bedingungen geschaffen werden, um gemeinsam Energie zu erzeugen, zu verbrauchen und zu teilen (Energy Sharing). Dazu reicht es nicht aus, lediglich den Eigenverbrauch von Umlagen zu befreien.
Zudem braucht es die naturverträgliche Umsetzung eines Zwei-Prozent-Flächenziels für Windenergie sowie die angekündigte Solarpflicht auf allen geeigneten Dächern sowie bereits versiegelten Flächen wie zum Beispiel großen Parkplätzen. Diese Entscheidungen dürfen nicht vertagt werden. Beim Ausbau der Offshore Windenergie ist eine Gesamtbetrachtung nötig. Der übermäßige Ausbau im Meer droht insbesondere die gesamte Nordsee grundlegend zu verändern. Auswirkungen des Ausbaus der Offshore-Windenergie haben direkte Auswirkungen auf die Lebensraumeignung und sie beeinflussen klimarelevante Ökosystemleistungen. Deshalb müssen auch Belastungsgrenzen und Auswirkungen nachfolgender Infrastrukturen berücksichtigt werden. Dazu zählen Kabeltrassen durch das Küstenmeer und die dortigen Schutzgebiete, Beeinträchtigungen der Schutzgebiete durch Serviceverkehr zu den Offshore-Windparks sowie der Ausbau von Stromautobahnen an Land. Die Belastungsgrenzen des Meeres- und des Küstenökosystems dürfen keinesfalls überschritten werden.
Beim Ausbau der Offshore-Windenergie und der nachfolgenden Infrastruktur dürfen die Meeresschutzgebiete auf See und an der Küste nicht überlastet, gestört oder als Standort genutzt werden. Vielmehr sollten naturschutzfachlichen Abstandsregeln zu Schutzgebieten gewahrt werden. Auch andere Nutzungen dürfen nicht in die Schutzgebiete verlagert werden, um die ursprüngliche Funktion des Schutzgebietes nicht zu beeinträchtigen. Die Hälfte der Flächen der Schutzgebiete sollten Null-Nutzungsgebiete sein. Null- Nutzungszonen sind die wirkungsvollste Art von Meeresschutzgebieten. Nur so können sich die Schutzgüter ungestört erhalten und entwickeln.
Die Begleitforschung zum Ausbau der Offshore-Windanlagen muss die Auswirkungen auf den Meereslebensraum, die Meerestiere und ihre klimarelevanten Ökosystemleistungen bewerten und den gesamte Einfluss aller Windkraftfelder auf das Ökosystem berücksichtigen. Der Ausbau muss diese Ergebnisse einbeziehen und als schrittweiser, lernende Prozess stattfinden.
Der im Atomgesetz verankerte Abschalttermin für die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke (AKW) ist der 31. Dezember 2022. Die Bundesregierung hat sich aktuell gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Dennoch bringen Politiker*innen und deutsche AKW-Betreiber eine Verlängerung immer wieder ins Spiel. Ein Weiterbetrieb über das Jahr 2022 wäre mit hohen sicherheitstechnischen und -politischen Risiken verbunden. Es bestehen zudem erhebliche Zweifel, ob eine Rückabwicklung des fortgeschrittenen Ausstiegsprozesses technisch, betrieblich und juristisch überhaupt machbar wäre. Die Betreiber haben sowohl ihre Personalplanung als auch den Brennstoffeinsatz langfristig geplant und exakt auf den gesetzlichen Abschalttermin ausgerichtet.
Ein Weiterbetrieb der Anlagen über den gesetzlichen Abschalttermin hinaus wäre nur im Streckbetrieb möglich, da neue Brennelemente frühestens Mitte nächsten Jahres verfügbar wären. Eine Entscheidung für Laufzeitverlängerungen würde kurzfristig keine zusätzlichen Strommengen schaffen. Der Einsatz von neuen Brennelementen würde die Betriebsdauer der Reaktoren um mindestens drei Jahre verlängern – bei zunehmenden Sicherheitsrisiken.
Die letzten drei deutschen AKW haben die Betriebsdauer von 30 Jahren längst überschritten. Es treten zunehmend Alterungseffekte bzw. -probleme auf. Für einen Weiterbetrieb wären umfangreiche und langwierige Wartungsarbeiten und Sicherheitsprüfungen notwendig. Laufzeitverlängerungen sind schon deshalb ökonomisch unsinnig und sicherheitstechnisch nicht tragbar. Die Bundesregierung muss an dem gesetzlichen Abschalttermin festhalten. Der Nutzen durch die von den drei verbliebenen AKW im Winter 2022/23 mittels Steckbetrieb produzierten Strommengen steht in keinem Verhältnis zu den mit dem Weiterbetrieb verbundenen wachsenden Sicherheitsrisiken. Da Laufzeitverlängerungen zudem nicht für eine kurze Zeitspanne denkbar sind, würden sie den Ausbau der Erneuerbaren zurückdrängen und die Energiewende voraussichtlich um Jahre zurückwerfen.
Die Atomindustrie ist zudem abhängig von Uran-Importen aus autoritären Staaten (u.a. Russland) und indigenen Gebieten. Der Uran-Bergbau verursacht außerdem massive Umweltschäden in den betroffenen Gebieten und fördert globale Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten.
Der Krieg in der Ukraine zeigt deutlich, welche Gefahren im Kriegsfall von Atomanlagen ausgehen. Auch ohne den Einsatz von Atomwaffen oder beabsichtigte Anschläge droht eine nukleare Katastrophe durch längere Stromausfälle und den Ausfall der Kühlsysteme in den Atomanlagen oder durch Geschosse, die AKW oder Atommüll-Lager ungezielt treffen könnten.
Dazu müssen wir unseren Ressourcenverbrauch drastisch und absolut senken und unsere Wirtschaft konsequent an zirkulären Prinzipien ausrichten. Recycling und Effizienzsteigerungen allein können die notwendige Trendwende nicht herbeiführen. Unser Konsumverhalten und unser lineares Wirtschaften, bei dem wertvolle Ressourcen und Energie kontinuierlich verschwendet werden, haben dazu geführt, dass sich die globale Ressourcen-Nutzung in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht hat. Bis 2060 wird sie sich wohl noch einmal verdoppeln. Damit treiben wir die Klima- und die Artenkrise weiter an. Wir leben also über unsere Verhältnisse und erschöpfen unseren Planeten. Künftige Krisen werden sich stärker um die Nutzung und Verfügbarkeit von Rohstoffen drehen. Selbst lokale Konflikte werden massive globale Versorgungsprobleme verursachen.
Die Herausforderung der Zukunft ist, Wirtschaftsweisen zu entwickeln, die eine Wertschöpfung von regional verfügbaren Ressourcen optimiert. Sie muss zugleich energiesparsam sein und die dem globalen Markt entnommenen Rohstoffen suffizient, effizient und konsistent verwenden. Ressourcensparen muss zur Handlungsmaxime werden. Ein verbindliches Ressourcenschutzgesetz kann wie auch das Klimaschutzgesetz eine symbolisch wichtige Maßnahme sein.
Noch sind die von der Bunderegierung verkündeten Zielsetzungen zu unkonkret. Sie erlauben erheblichen Interpretationsspielraum. Der Koalitionsvertrag bleibt hier sehr vage. Wir brauchen eine verbindliche und ambitionierte Umsetzung von Maßnahmen: unverpackt und Mehrweg als Standard in allen Bereichen. Sekundärrohstoffe sollen möglichst schnell und verbindlich primäre Rohstoffe in neuen Produkten sowie im Baubereich ersetzen. Produkte sollen langlebig sein, das heißt reparierbar, wieder nutzbar, zu tauschen und zu leihen.
Die Finanzierung der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende ist eine gigantische Herausforderung. Dasselbe gilt für den Naturschutz, die Agrar- und Ressourcenwende. Allein für die Förderung der Wärmewende werden jährlich schätzungsweise 22 Milliarden Euro benötigt. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage erfolgt der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien jetzt nach Haushaltslage. Er ist deshalb nicht mehr prinzipiell gesichert. Hinter der Ankündigung von 200 Milliarden Euro für den Klimaschutz bis 2026 stehen de facto nur fünf Milliarden an neuen Gelder. Eine ausreichende Finanzierung des Klimaschutzes war in dieser Legislatur auch vor der Entscheidung für das 100 Milliarden Euro umfassende sogenannte Sondervermögen der Bundeswehr nicht gesichert.
Angesichts der Diskussionen über den Tank-Rabatt und weitere Steuererleichterungen für die Industrie drohen weitere Belastungen für den Bundeshaushalt. Diese können für den Klimaschutz sogar kontraproduktiv sein. Umso wichtiger ist es einen langfristigen Finanzierungsrahmen für die sozial-ökologische Transformation aufzustellen. Nach heutiger Studienlage müssen die klimapolitischen Investitionen beispielsweise mindestens 1,5 Prozent des BIP betragen. Die Aufwendungen für die nötig werdende Klimaanpassung sind dabei nicht eingerechnet. An den Investitionen und Ausgaben für die national wie international dringend nötige sozial-ökologische Wende darf aber nicht gerüttelt werden. Auch der Verzicht auf Steuererhöhungen ist angesichts der großen Herausforderungen und kostenträchtigen Vorhaben im Koalitionsvertrag nicht mehr zu halten. Es wird höchste Zeit, dass die Ampel-Regierung ihren Kardinalfehler korrigiert und den sehr großen privaten Reichtum in diesem Land stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzieht.
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